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Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 06/2004

Mit zusätzlicher Kraft

Liebe Leserinnen und Leser,

das Schlechtreden der Tarifautonomie und der Mitbestimmung reiht sich ein in die ständige Kritik der Arbeitgeber am Standort Deutschland - eine riskante Strategie. Um Gewerkschaften und Arbeitnehmerseite zu schwächen, schreckt man auch nicht vor Eingriffen zurück, die unser System der Arbeitsbeziehungen systematisch beschädigen würden.

Würden die vorliegenden Konzepte der BDA und der CDU/CSU umgesetzt, "bliebe im kollektiven Arbeitsrecht kein Stein auf dem anderen", macht der Arbeitsrechtler Ulrich Zachert in unserem Heft deutlich. Angesichts dieser Bedrohungslage ist es nur zu verständlich, dass die Gewerkschaften noch mehr argumentative Unterstützung aus der Hans-Böckler-Stiftung wünschen - zumal in den Auseinandersetzungen um Tarifautonomie und Mitbestimmung. Die eigene Forschung aus dem zugehörigen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut wie auch die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studien von Wissenschaftlern an Universitäten und Instituten bieten einen reichen Fundus. Er ist es wert, einer breiteren und insbesondere der politischen Öffentlichkeit präsentiert zu werden.

An dieser Stelle gilt es, in Zukunft mit zusätzlicher Kraft zu arbeiten. Dieser Aufgabe möchte ich mich als neuer Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung vor allem widmen. Die Stiftung hat schon in den vergangenen Jahren mit der Kommission Mitbestimmung einen Meilenstein gesetzt, an den wir in den aktuellen Auseinandersetzungen um die Unternehmensmitbestimmung anknüpfen sollten. Es ist zu wenig, wenn nur Gewerkschafter von der Überlegenheit des deutschen Modells der industriellen Beziehungen gegenüber marktradikalen Systemen überzeugt sind. Wir brauchen in der Gesellschaft wieder einen breiten Konsens: Nur mit Tarifautonomie und Mitbestimmung werden wir die gewaltigen Herausforderungen in Wirtschaft und Arbeitswelt bewältigen und unsere demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung weiterentwickeln können. Dafür ist es wert, alle Anstrengungen zu unternehmen.

Und dafür stehen in diesem Heft auch die Akteure selbst: Betriebsräte machen deutlich, warum sie Abstimmungen über Tarifverträge im Betrieb für absolut kontraproduktiv halten. Wir erhalten Einblicke, wie die Tarif- und Betriebsparteien der Chemiebranche das Wechseln in und aus tariflichen Korridoren verhandeln. Und in der tarif- und arbeitspolitischen Werkstatt des VW-Projektes 5000 x 5000 werden neue Strategien erprobt - in enger Abstimmung mit der IG Metall. Nicht nur diese Praxis zeigt: Unser System ist intelligent konstruiert, pragmatisch und anpassungsfähig.

Interessante Lektüre wünscht Ihnen und Euch

Wolfgang Jäger 

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