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Professorin Monika Huesmann vor der Uni in Berlin Magazin Mitbestimmung

Altstipendiatin: Die Neugierige

Ausgabe 05/2024

Studierende aus Familien ohne Hochschulerfahrung sind Monika Huesmanns Herzensthema. Mit ihrer Forschung will sie Unternehmen zeigen, welche besonderen Stärken diese Menschen oft besitzen. Von Martin Kaluza

Von ihrem Job als Professorin schwärmt Monika Huesmann, als hätte sie ihn gerade frisch angetreten, dabei macht sie ihn schon seit 13 Jahren. „Ich lehre gerne, ich forsche sehr gerne. Der Weg dorthin ist ein anderes Thema. Aber wenn man einmal da ist, hat man die Freiheit, der eigenen Neugier nachzugehen.“ Den schwierigen Weg dorthin hat Huesmann, Professorin für Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin, auch zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht. In den ersten Jahren forschte sie viel zu Diversität, jetzt zu Studierenden aus Familien ohne Hochschulerfahrung. Für sie ist das ein Herzensthema, denn auch sie kommt aus einer solchen Familie.

Im Studium spürte Huesmann, dass ihr immer etwas fehlte: eine bestimmte Art des Umgangs, des Redens, die Leichtigkeit, mit der über viel Geld gesprochen wurde. Sie bemerkte, dass Kinder aus Akademikerhaushalten zuweilen schneller vorankamen trotz weniger guter Leistungen. In einem Artikel für die Zeitschrift für Arbeitswissenschaft geht Huesmann der Frage nach den Kompetenzen von Studierenden aus hochschulfernen Haushalten nach: „Mich hat diese Defizitdarstellung genervt: Wie kann man sie unterstützen, fehlende Kompetenzen zu erwerben?“ Huesmann ist sich sicher: „Diesen Leuten fehlt nichts.“

Huesmann selbst ist das beste Beispiel. Dabei hatte ihr Bildungsweg einige Schlenker. Mit 15 ging sie vom Gymnasium ab und machte eine Ausbildung zur Erzieherin, ihr Leidenschaftsberuf. Doch nach fünf Jahren stand sie am Ende ihrer Karrieremöglichkeiten. Etwas zu früh für eine junge, neugierige Frau. Das Abi nachholen konnte sie in Baden-Württemberg nicht mehr – zu alt. Also machte sie eine Ausbildung zur Heilpädagogin... um nach vier Jahren wieder das Ende der Karriere zu erreichen.

Sie entschloss sich, nach Berlin zu gehen, wo man im Berlin-Kolleg auch mit knapp 30 noch das Abi machen konnte. Parallel absolvierte sie eine Ausbildung zur Finanzbuchhalterin. Damals gab ihr eine Vertrauensdozentin der Hans-Böckler-Stiftung den Tipp, sich auf ein Stipendium zu bewerben. „Das hat alles geändert“, sagt Huesmann. „Ich habe oft überlegt: Kann ich studieren? Und dann gerechnet: Mit wie viel Schulden gehe ich da raus? Durch das Stipendium war klar: Ich kann studieren!“

Sie war knapp 40 Jahre alt, als sie ihr BWL-Studium als Jahrgangsbeste abschloss, nur um dann auch nach 100 Bewerbungen keine Arbeit zu finden. „Unsere Führungskräfte sind jünger als Sie, das geht nicht“, bekam sie in einem Bewerbungsgespräch zu hören. Solche Erfahrungen wurmen sie auch heute noch. Doch ohne die Absagen wäre sie nicht auf den Gedanken gekommen, zu promovieren. Eine Professorin traute ihr das zu und ermunterte sie. Der erste Job danach an der Uni war eine zu niedrig eingestufte Stelle für Personalentwicklung – Huesmanns große Chance.

Ein Freund stieß auf die Stellenanzeige für die Professur an der HWR: „Schau mal, da geht es um Personal-, Informationsmanagement und um Organisation, alles in einer Professur!“ Es waren genau die Themen, in denen sie Erfahrung hatte. Huesmann ist froh, dass sie an der HWR gelandet ist. „Eine klassische Uni hätte mich nicht interessiert“, sagt sie. Ihr gefällt die anwendungsorientierte Ausrichtung.

Neben ihrer Arbeit als Professorin engagiert sich Huesmann bei der Hans-Böckler-Stiftung als Vertrauensdozentin und bei Arbeiterkind.de, das junge Menschen ermutigt, als Erste in ihrer Familie zu studieren. Sie verhilft nun beiden Seiten zu ihrem Glück: Als Ehrenamtliche ermuntert sie Erststudierende, sich eine akademische Karriere zuzutrauen, und durch ihre Forschungen zeigt sie Unternehmen, was sie mit Erststudierenden gewinnen können. Viele bringen Erfahrungen mit, die eigentlich Gold wert sein müssten. Zum Beispiel, dass sie sich immer wieder gegen Widerstände behauptet haben.

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