Quelle: Rolf Schulten
Magazin MitbestimmungAltstipendiatin: Die Macherin
Johanna Wenckebach ist als Tarifjuristin der IG Metall viel in Berlin, Brandenburg, Sachsen unterwegs. Und übt dabei zusammen mit Mann und zwei kleinen Söhnen die Balance von Familie und Beruf.
Von Susanne Kailitz
Ihre Arbeitstage sind aufregend im Moment: Im Mai hat Johanna Wenckebach ihren neuen Job als Juristin bei der IG Metall in Berlin angetreten. Und seitdem taucht sie ein in eine Welt, die viele Überraschungen bereithält. „Wenn man wissenschaftlich über Betriebe forscht oder anwaltlich berät, ist das etwas ganz anderes, als wenn man hautnah erlebt, wie Arbeitgeber ihren Leuten knallhart sagen, dass die Produktion ins Ausland verlegt werde, wenn sie aufmucken.“ Und gleichzeitig sind da die anderen Momente: „An meinem ersten Arbeitstag hatten wir Warnstreik bei VW. Wenn Tausende Leute vors Tor kommen, weil sie eine gemeinsame Forderung haben, merkt man, dass es das wirklich gibt: Solidarität, füreinander einstehen. Das ist sehr berührend.“
Wenckebach hat lange darüber gegrübelt, wo sie arbeiten will. Nach dem Jurastudium promovierte die 33-Jährige mit einem Böckler-Stipendium im Arbeitsrecht und arbeitete an der Hebräischen Universität Jerusalem, an der Frankfurter Viadrina und an der Uni Kassel in Forschungsprojekten. Im Referendariat absolvierte sie Stationen am Gericht und in großen Kanzleien. Auch als Anwältin oder Wissenschaftlerin gibt es viel zu bewegen, sagt Wenckebach. Doch seit sie als Tarifjuristin im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen unterwegs ist, stellt sie jeden Tag aufs Neue fest, „dass ich die Gleichzeitigkeit von Juristerei und Politik unglaublich spannend finde“.
Alles perfekt, so klingt es. Wäre da nicht der schwierige Spagat zwischen Job und Familie. Dass die Vereinbarkeit eigentlich überall ein Problem sein würde, war ihr schon lange klar: Elf-Stunden-Tage in einer großen Kanzlei oder an Unis von einer befristeten Stelle zur anderen zu tingeln hielt sie nicht wirklich für familienfreundlich. Und jetzt? Sie seufzt. „Mein Job begeistert mich. Aber ich muss flexibel sein und bin richtig viel unterwegs. Manchmal tut es einfach weh, es eigentlich nie mehr nachmittags in die Kita zu schaffen und auch das Vorlesen abends regelmäßig zu verpassen.“
Noch in der Examensphase haben Johanna Wenckebach und ihre Familie sich vorerst von einem Traum verabschiedet: Mehrere Jahre lebten sie – überzeugt und ausgesprochen gern – in einem Wohnprojekt in Kanin bei Beelitz. „Wir haben da sehr bewusst in einer Gemeinschaft gelebt, die ihren Alltag und Verantwortung teilt, mit Bauwochenenden, Plenum, Carsharing und auch allen Konflikten, die im Zusammenleben unweigerlich auftauchen.“ Jetzt, als vierköpfige Familie mit Wohnung in der Stadt, ist alles anders. „Wir haben uns den Schritt nicht leicht gemacht. Aber es ging auch um so etwas Banales wie die täglichen Fahrzeiten. In der Stadt sind die Wege deutlich kürzer, und wir sparen dadurch kostbare Zeit. Und jetzt, wo ich im Job permanent mit Aushandlungsprozessen befasst bin, bin ich heilfroh, dass ich das privat nicht mehr so exzessiv habe.“
Doch diese Zeit habe ihr deutlich gemacht: „Wenn es in allen Familien knallt wegen der Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit, dann ist das kein persönliches Versagen, sondern es geht um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.“ Die Balance von Beruf und Familie leidlich hinzubekommen klappe im Osten etwas besser, vermutet Wenckebach. Sie wuchs im Rheinland auf. Als Berlin Hauptstadt wurde, zogen ihre Eltern um. Sie blieb zunächst, um Abitur zu machen, und entschied sich dann auch für Berlin. Als sie selbst eine Familie gründete, fand sie die Rahmenbedingungen besser als in der alten Heimat. „Es gibt hier dieses ‚Übermutter-Ideal‘ nicht, und es gibt keinen, der mir ein schlechtes Gewissen macht, wenn ich als Mutter von Kleinkindern Vollzeit arbeite. Das finde ich ziemlich erleichternd.“