Quelle: HBS
Magazin MitbestimmungEliten: Die Kluft wird immer größer
Drei Fragen an Michael Hartmann. Er ist Soziologe und hat mehrere Bücher über die Eliten und ihre Rekrutierungsmechanismen geschrieben.
Wer agiert in Deutschland besonders abgehoben?
Die wirtschaftliche Elite war immer noch abgehobener als die politische, weil sie bei Einkommen und Vermögen am weitesten vom Durchschnitt entfernt ist. Das hat sich erheblich verstärkt. Wenn das Vorstandsmitglied eines DAX-Konzerns heute das 50- bis 70-Fache dessen verdient, was seine Beschäftigten bekommen, so ist die Kluft vier- bis fünfmal so groß wie bis Mitte der 1990er Jahre.
Sie betonen stets die Bedeutung der eigenen Herkunft für das Weltbild. Warum ist die so wichtig?
Die Herkunft prägt die Wahrnehmung. Im Jahr 2012 haben wir die Personen befragt, die die 1000 wichtigsten Machtpositionen in Deutschland besetzen. Je wohlhabender jemand aufgewachsen war, umso weniger empfand er soziale Ungleichheit als Problem. Am deutlichsten waren die Unterschiede, wenn es um höhere Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen ging. Während Arbeiterkinder selbst unter Topmanagern meist dafür waren, waren Personen aus reichen Familien mit großer Mehrheit dagegen.
Wieso gefährden abgehobene Eliten die Demokratie?
Die Folgen der neoliberalen Politik haben den Boden für das Erstarken des Rechtspopulismus bereitet. Die unteren 40 Prozent der Bevölkerung haben heute real ein geringeres Einkommen als vor 20 Jahren, das obere Zehntel hat deutlich zugelegt. Das schürt Wut und Angst. Die Wähler sind enttäuscht von Parteien wie den Sozialisten in Frankreich oder der SPD hierzulande, die ihre Erfolge dem Versprechen von mehr sozialer Gerechtigkeit verdankten, nach dem Wahlsieg aber das Gegenteil gemacht haben.