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Magazin Mitbestimmung

Parteienwerbung: Die Kampagnenmacher

Ausgabe 09/2013

Die Grenzen zwischen Politik und Werbung verwischen. Klassische Kanäle verlieren an Bedeutung, ohne dass die neuen, digitalen den Verlust wettmachen. Damit am Ende nicht der schlechte Geschmack siegt, hilft ein Knigge. Von Kay Meiners

Berufsmäßigen Optimismus bis zur Selbstsuggestion zeigen in diesem Jahr in erster Linie nicht die Politiker, sondern die Werbeagenturen, die mit Millionenbudjets hinter den Kulissen Erfolg versprechen. Rund drei Monate vor der Wahl trafen sie sich in Berlin: die Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfkoordinatoren, die Agenturen, Demoskopen und Politikwissenschaftler. Auf der Konferenz „Wahlkampf-Strategien 2013“ am 11. und 12. Juni, einer gemeinsame Verstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung, der Hans-Böckler-Stiftung und der Otto Brenner Stiftung haben sie das kulturelle Unterfutter der kommenden Wahlen verhandelt – die gesellschaftlichen Milieus, die digitalen Medien.

Nicht dass es nichts zu tun gäbe in Deutschland. Aber gleich ob Eurokrise, NSA-Enthüllungen oder andere diffuse Bedrohungslagen – immer weniger Probleme scheinen national lösbar. Trotzdem streiten überwiegend die gleichen Parteien um Wählerstimmen wie schon vor Jahrzehnten. Der Politologe Werner Weidenfeld, einer der Gäste in Berlin, nennt das eine „Diskrepanz zwischen Problemstruktur, Entscheidungsstruktur und Legitimationstruktur“. Tatsächlich: Die Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl lag bei 70,8 Prozent, der niedrigste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik, folglich reichen immer weniger Stimmen zur Regierungsübernahme. Man könne daher mit klassischen Lagerwahlkämpfen – Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün – noch immer Wahlen gewinnen, sagt der Konservative Weidenfeld, der gleichzeitig prophezeit, dass man „die Lager bald im Museum bewundern kann“. Manch einer fragte sich, ob diese Prognose vom Ende der politischen Lager aus Merkels Portfolio der „asymmetrischen Demobilisierung“ stammt, die den Gegner einschläfern soll, indem man ihm keine Angriffsfläche bietet?

Womit mir mitten im Wahlkampf sind. Lutz Meyer von der Agentur Blumberry, die für die CDU arbeitet, wirft ein Bild an die Wand, das im Publikum sogleich für Gelächter sorgt: Ein großes Oval zeigt die Union. Darum gruppiert, wie Satellitenorganisationen, die anderen Parteien. Das soll sagen: Die CDU ist die letzte Volkspartei. Meyer führt einen Imagefilm vor und die CDU-Website, sehr aufgeräumt, weg vom Klein-Klein. Ein Klick links: die sozialen Medien. Ein Klick rechts: das Multimedia-Angebot. Dahinter, erzählt Meyer nicht ohne Übertreibung, stehe die „modernste Digitalarchitektur einer Partei, mindestens in Europa.“

Karsten Göbel von der Agentur Super an der Spree, die für die SPD arbeitet, mag nicht hinter Meyer zurückstehen. Er zeigt eine Grafik, auf der die SPD und die Grünen als gemeinsamer Balken zu sehen sind. Dieser rot-grüne Balken ist länger als der Balken, der die Konkurrenz, also die CDU, die FDP und die Linkspartei symbolisiert. Das Geheimnis: Göbels Balken zeigen keine neuen Umfrageergebnisse, sondern Potenziale. Das soll sagen: Wir, die SPD, werden gewinnen, wenn wir nur alle Menschen erreichen, die uns wählen könnten. Potenzialausschöpfung heißt das in der Sprache der Agenturen. Je schlechter die Nachrichten der Demoskopen, desto größer erscheint im Verhältnis das Potenzial.

„SHARE“ UND „LIKE“ HEISSEN DIE NEUEN WÄHRUNGEN

Eine schicke Website hat die SPD natürlich auch. Wer bei Google „mitmachen SPD“ eintippt, stößt schnell auf die zentrale Netzplattform für freiwillige Helfer. Der Obama-Wahlkampf sei das Vorbild, sagt Göbel stolz. Wer anklickt „Ich habe 1 Minute Zeit“, soll eine Europa-Rede von Peer Steinbrück auf YouTube teilen. Später führt der Link zu den neuen SPD-Wahlplakaten oder zu einer Kampagne gegen Steuerflucht. „Like“(mögen) und „Share“ (teilen) heißen die Währungen im digitalen Wahlkampf. Doch die neuen Kanäle sind nicht die wichtigsten. „Wir gewinnen die Wahl in Wohnblocks, nicht in Blogs“, sagt SPD-Werber Göbel. Die konventionellen Medien bleiben ein bedeutender Faktor. Plakate müssen entworfen, Wahlprogramme auf einen Satz eingedampft werden. „Eine Stadt für Soja und Soljanka“, damit haben die Grünen in Berlin geworben. „Zu 100 Prozent sozial“, dieser Slogan soll das Programm der Linkspartei zusammenfassen. „Das WIR entscheidet“, heißt die Kernbotschaft der SPD. Bei der FDP, so berichtet Armin Reins von der Agentur Reinsclassen, gibt es ein Problem besonderer Art: „Viele Menschen, die uns nahestehen, scheuen sich aktuell, sich auch zur FDP zu bekennen.“

JEDER PROBIERT JETZT DIE NEUEN MEDIEN AUS

„Social Media im Wahlkampf – Do’s and Don’ts“ heißt ein Vortrag, den Benjamin Minack von der Agentur Ressourcenmangel hält. Minack ist eine Art moderner Knigge, der Tipps für den Umgang mit den jüngsten Medien im Kampagnenkonzert gibt. Vieles klingt überraschend altmodisch. Er rät dazu, einen ehrlichen Dialog mit dem Gegenüber zu pflegen – oder wenigstens einen solchen Eindruck zu erwecken. Außerdem soll man sich fragen, ob alles, was man postet, auch in der Zeitung stehen kann. Ein echtes „Don’t“ ist eine Geschichte vom Juni: da hatte Rolf Kleine, Bild-Journalist und Peer Steinbrücks neuer Pressesprecher, ein Foto von Võ Nguyên Giáp gepostet, dem kommunistischen Guerilla-General aus dem Vietnamkrieg. Dazu die Bildunterschrift: „Die FDP ist wieder da“. Ein böser Seitenhieb gegen FDP-Chef Philipp Rösler. Trotz solcher Idiotien ruft Minack allen ein fröhliches „Just do it!“ zu. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen.

Die Digitalisierung führt dazu, dass ehemals getrennte Kommunikationswege miteinander verschmelzen. Begriffe wie Internet oder Social Media seien deswegen „als analytische Kategorien nutzlos“, erklärt Thorsten Faas, Professor für Methoden der empirischen Politikforschung an der Universität Mainz. Denn ein Medium wie Facebook lässt sich ganz unterschiedlich nutzen: für einen Chat unter Freunden ebenso wie für die Hochglanzpräsenz eines Spitzenpolitikers oder als Verteilnetz für traditionell produzierte Medieninhalte. Viele Diskutanten in Berlin sind der Meinung, dass die Glaubwürdigkeit und die Relevanz der Botschaften am Ende wichtiger ist als der Kanal, der bespielt wird. Zwar haben 50 Prozent aller Internetnutzer in Deutschland heute ein Facebook-Profil. Doch die Mehrheit nutzt Facebook eher unpolititsch.

In den USA entdecken die Kampagnenmacher zugleich Hoffnungszeichen und neue Anwendungen wie den Facebook-Button „I voted“ (Ich habe gewählt), der den Gruppendruck im sozialen Netzwerk nutzt, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Sie werden aufmerksam beobachtet. Politische „Likes“ mögen in Deutschland heute noch ein Randphänomen sein, die Erwartungen an die neuen Medien sind dennoch groß. Wegen der potenziell großen Reichweiten. Und wegen der Struktur, die vom Mitmachen und vom Verändern der Inhalte lebt. Auf diese Weise könnte doch noch gelingen, was die Amerikaner „motivate to action“ nennen: die Verführung des Staatsbürgers zum politischen Handeln.

Mehr Informationen

Online-Dokumentation der Tagung „Wahlkampf-Strategien 2013“

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