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Bankmitarbeiter vor Großrechner im Händlerraum der Herstatt-Bank (schwarz-weiß) Magazin Mitbestimmung

Rätselhaftes Fundstück: Die Herstatt-Pleite

Ausgabe 02/2025

Im Juni 1974 ist die Kölner Herstatt-Bank pleite. Ursache des Kollapses sind waghalsige Devisenspekulationen. Während erboste Kunden das Geldinstitut belagern, versuchen die Aufsichtsbehörden zu verstehen, was passiert ist. Von Guntram Doelfs

Vom Glanz des Geldes ist wenig übrig, als die beiden Herren auf dem Foto die Großrechner der Kölner Herstatt-Bank durchforsten. Jahrelang hat eine Gruppe junger Devisenhändler, die man bei Herstatt die „Goldjungs“ nennt, scheinbar mühelos Millionen gemacht. Ihre Geschichte klingt märchenhaft: Mit der Freigabe der Devisenwechselkurse im Jahr 1971 gelten Wetten auf fallende oder steigende Wechselkurse als heiße Sache.

Den mit futuristischer Technik vollgestopften Händlerraum nennt man „Raumstation Orion“, angelehnt an eine deutsche Science-Fiction-Serie. Der Handel wird über Telefone abgewickelt, aber zur Kalkulation und Buchung werden supermoderne Computer eingesetzt. Auf dem Foto ist der IBM-Großrechner S/360 zu sehen, der erste Großrechner, der in Serie gebaut wird. Riesige Summen werden von sechs Händlern bewegt, die nicht einmal 30 Jahre alt sind – zu jung für Skrupel. Geleitet wird die Abteilung von Dany Dattel.

Das Geschäft läuft wie geschmiert – bis offenbar wird, dass Verluste in Höhe des zwanzigfachen Eigenkapitals angefallen sind. Während Tausende Kleinsparer die Bank belagern und um ihre Einlagen bangen, versuchen die Aufsichtsbehörden, zu verstehen, was sich hier abgespielt hat. Die Spurensuche fördert erschreckende Details zutage. Offenbar arbeitete die Devisenabteilung weitgehend ohne Kontrolle, Händlerlimits wurden umgangen, Verluste vor der Buchhaltung verheimlicht. Aufhalten lässt sich die Pleite dennoch nicht mehr, denn die Verluste wachsen auf mehr als eine halbe Milliarde DM an. Am 26. Juni 1974 entzieht die Bankenaufsicht der Privatbank die Lizenz und ordnet die Abwicklung an. Rund 38 000 Kunden sind betroffen.

Es folgen jahrelange Prozesse. Der Miteigentümer und Namensgeber Iwan D. Herstatt wird zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Als Hauptschuldiger gilt Dany Dattel. Der wird jedoch für verhandlungsunfähig erklärt. Als Kind hat er das Vernichtungslager Auschwitz nur knapp überlebt. In der Untersuchungshaft brechen Traumata aus jener Zeit wieder auf, ein Urteil gegen ihn gibt es nicht. Finanztechnisch hat die Herstatt-Pleite weitreichende Konsequenzen: Die Bankaufsicht wird verschärft, und ein neuer Einlagensicherungsfonds schützt Einlagen von Sparern vor den Folgen einer Insolvenz.


Rätselfragen

  1. Iwan D. Herstatt war der Namensgeber der Privatbank, Mehrheitseigner der Bank war jedoch ein großer Kölner Versicherungsunternehmer. Von wem ist die Rede?
  2. Der Name des Händlerraumes war angelehnt an eine bekannte deutsche Science-Fiction-Serie, die heute Kultcharakter genießt. Welcher Schauspieler spielte in der Serie den Commander des Raumschiffes?
  3. Bis zu welcher Summe pro Kunde und Bank haftet heute der Einlagensicherungsfonds?

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Auflösung der Rätselfragen 1/2025

  • Wilhelm Marx
  • 1954
  • Bonn

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