Quelle: Karsten Schöne
Magazin MitbestimmungMein Arbeitsplatz: Die Dirndl-Schneiderin
Monika Heinemann (55) ist Schneiderin und lebt mit ihrem Mann in Erding. Ihre Spezialität: Dirndlkleider. Von Andreas Schulte
Ich bin seit fünf Jahren selbstständige Schneiderin und fertige nach Maß Trachtenmode für Damen und Herren. Angefangen mit dem Schneidern habe ich schon als Kind mit Puppenkleidern. Es hat mich schon immer fasziniert, wie aus einem zweidimensionalen Stoff ein Kleidungsstück entsteht. Trachten waren für mich aber zunächst ein No-Go. Das Dirndl habe ich erst in den Nullerjahren für mich entdeckt. Ich habe damals erkannt, wie schön es ist, mit edlen Materialien zu arbeiten und Muster und Farben zu kombinieren, die man in der herkömmlichen Mode nie tragen würde. Nicht zuletzt: In einem Dirndl fühlt sich eine Frau einfach schön.
Zum Beruf wurde mein Hobby ausgerechnet in China. Mein Mann hatte dort einige Jahre beruflich zu tun. Ich bin mit dorthin gereist und habe meinen langjährigen Beruf als Bankangestellte aufgegeben. Ich war unsicher, wie ich meine Zeit in Peking sinnvoll gestalten würde. Also habe ich meine Nähausrüstung inklusive zwei Nähmaschinen mitgenommen.
Dieser Entschluss hat mein Leben verändert: In Peking wird in drei deutschen Brauhäusern so etwas wie ein Oktoberfest gefeiert, außerdem ist man innerhalb der internationalen Community schnell gut vernetzt. So kam es, dass plötzlich alle Frauen ein Dirndl von mir haben wollten. Das Schneidern wurde für mich zur Vollzeitbeschäftigung, und ich dachte: In die Bank willst du eh nicht zurück, also schneiderst du auch in Deutschland.
Als wir dann 2019 in die Heimat zurückgekehrt sind, habe ich mir im Keller ein Atelier eingerichtet. In Bayern wird im Dirndl geheiratet, und auch Volksfeste steigern die Nachfrage. Im Moment kommen die Aufträge für das kommende Jahr herein. An einem Dirndl schneidere ich 20 Stunden – manchmal bis in die Nacht. Für mich ist es eine Belohnung, wenn sich eine Frau im neuen Dirndl gefällt und deshalb zu Tränen gerührt ist.“