Quelle: Stephan Petras
Magazin MitbestimmungMein Arbeitsplatz: Der Wirt
Rolf Peter Bimmermann (57) lebt in Köln und arbeitet als Wirt im "Lotta".
„Lotta“, Kartäuserwall 12, 50678 Köln „Vor allem das Sozialleben reizt mich an meiner Arbeit als Wirt in der Südstadtkneipe ‚Lotta‘. Im Grunde bin ich eine Art Sozialarbeiter, allerdings habe ich ihnen gegenüber einen Vorteil: Ich kann Leute rausschmeißen, wenn sie sich unsozial verhalten. Ich arbeite seit 27 Jahren hier hinter der Theke, aber nicht in Vollzeit. Das wäre mir zu viel. Ich habe noch eine halbe Stelle im Büro eines Medienunternehmens. Diese Aufteilung ist genau richtig für mich, zumal das Geschäft in der ‚Lotta‘ gerade auch während Corona nicht immer besonders viel einbrachte.
Wir führen das Lokal als Kollektiv mit 14 Leuten, die eine GmbH bilden. Das klappt seit 27 Jahren gut, auch wenn es gerade zuletzt in der Coronazeit auch mal stressig war. Wie regelt man den Einlass? Wer darf rein? Da gingen die Vorstellungen manchmal schon auseinander.
Ich bin mit zwei Kollegen seit Anfang an dabei und übernehme derzeit zwei Abende und die Buchhaltung. Jeder im Kollektiv bekommt für gearbeitete Stunden einen festen Stundensatz. Der ist für alle gleich, egal wie lange einer bereits hier arbeitet. Wenn am Ende ein Überschuss bleibt, wird der aufgeteilt. Wir treffen uns alle drei bis vier Wochen zur Arbeitsbesprechung. Beschlüsse gelten nur, wenn wir sie einstimmig fassen.
So war es auch mit der Entscheidung, die Fußball-WM nicht zu übertragen. Eigentlich sind wir eine Fußballkneipe, zeigen die Spiele des 1. FC Köln und des FC St. Pauli. Aber schon bei der Bekanntgabe des WM-Spielorts Katar war uns mulmig. Da kommt so vieles zusammen: Verletzung der Menschenrechte, lebensgefährliche Arbeitsbedingungen und Korruption. Unsere Gäste tragen unseren WM-Boykott größtenteils mit. Die meisten denken ähnlich wie wir. Wir haben schon ein Alternativprogramm für die WM-Tage auf die Beine gestellt mit Kickerturnier, Fußballquiz und Diskussionsabend.“
Text: Andreas Schulte