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Magazin Mitbestimmung

Mein Arbeitsplatz: Der Flugzeugabfertiger

Ausgabe 04/2013

André-Walter Fernitz, 45, ist Vorfeldarbeiter, auch „Flugzeugabfertiger“ genannt, auf dem Flughafen Tegel. Er lernte Tischler, bewachte die Munition der US-Streitkräfte in Berlin und versuchte sich in einem großen Möbelhaus.

„Fängt morgens gleich gut an: Obwohl wir ständig Sicherheitsüberprüfungen unterzogen werden, müssen wir täglich durch die Schleuse wie jeder Tourist. Alles muss aufs Band. Und da wir Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen tragen: Schuh aus, Schuh an. Als ich vor 23 Jahren anfing, hatten wir fürs ‚Drehen‘ einer Maschine eine Stunde. Entladen, neu beladen, in richtiger Richtung aufs Rollfeld ziehen. Im Winter enteisen. Heute haben wir 25 Minuten. Und weniger Kollegen. Kann sein, dass eine Maschine landet, während wir noch entladen. Dann können wir weder Mann noch Gerät heranführen. Die Gäste warten. Nicht immer stumm. Neulich gab es regelrecht Tumult.

Nach der Privatisierung der ganzen ‚Vorfelderei‘ hat sich unser Arbeitgeber, der Dienstleister Globe Ground, in mehrere Firmen zerlegt, die sich die Leiharbeiter unbegrenzt zuschieben. Die gehen mit 800 Euro raus. Da das noch nicht reicht, um die Belegschaft zu spalten, sind jetzt Werkverträge im Kommen. Ich als ‚Alter‘ verdiene nach einem halben Berufsleben 1500 Euro ohne Überstundenzulagen. Aber wie sollen die Jungen leben? Dazu kommt, dass ständig Druck von den Airlines ausgeübt und durch die Betriebsleitung an die Kollegen weitergereicht wird. Die Gesundheit geht kaputt: In vielen Flugzeugen können wir nicht aufrecht stehen, wir müssen auf den Knien arbeiten. In manchen Maschinen liegen wir und zerren das Gepäck über uns oder an uns vorbei. 200 mal 20 Kilo pro Flugzeug. Meist sechs Flugzeuge pro Schicht. Dazu Temperaturen zwischen minus 20 und plus 50 Grad. Manchmal klebt uns im Sommer der Teer an den Füßen. Wer über die Billigpreise seiner Flugkarte in die schönsten Urlaubsgebiete staunt, findet hier einen Teil der Lösung des Rätsels. Im Frühjahr 2012 haben wir gestreikt. Bis in den Dezember wurde verhandelt. Jetzt haben wir ein Ergebnis, das in der Lage sein sollte, die Abwärtsspirale zu begrenzen. Wir haben jetzt einen Tarifvertrag, der für alle, die auf dem Vorfeld konkurrieren, gelten wird, und einen Einstiegslohn von 9,20 Euro. Unsere ‚Spitzenverdiener‘ haben solidarisch was abgegeben, damit unten was draufgepackt werden konnte. Das ist ein guter Schritt.“

Textdokumentation und Foto: Wilhelm Pauli