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Magazin Mitbestimmung

Mein Arbeitsplatz: Der Fließband-Bäcker von Kabul

Ausgabe 01+02/2013

Shukrallah, 23, ist Arbeiter in einer Bäckerei im Zentrum von Kabul. Die Produktion ist effizient durchorganisiert. Jeder Arbeiter hat eine spezielle Aufgabe - wie am Fließband.

Kabul, Chicken Street, Shop No. 12 „Wer meine Arbeit machen will, muss geschickt sein. Sonst verbrennt er sich schnell die Finger. Mit einem Brett, auf dem ein feuchtes Kissen befestigt ist, drücke ich die frischen Brotfladen an die Wand des Ofens, der in den Boden der Bäckerei eingelassen ist. Dazu muss man den Arm tief in das heiße Ofenloch herunterbeugen und darf die Ofenwand nicht berühren. Als Brennstoff nehmen wir Gas, das wir aus einer Druckflasche über einen Schlauch zur Brennkammer leiten. Um 5 Uhr morgens fangen wir mit der Arbeit an, dann arbeiten wir bis 14 Uhr. Die zweite Schicht geht von 16 bis 20 Uhr. Das ist ziemlich lange, aber wir können uns nebenbei über alles unterhalten, was uns durch den Kopf geht. Ein Brot wiegt etwa ein halbes Pfund und kostet 10 Afghani – 15 Cent. Die Arbeit wird zwischen allen geteilt.
Zwei Männer machen Teigbälle aus Maismehl und Wasser. Der dritte formt daraus flache Fladen. Der vierte zieht mit dem Finger sechs Rillen in die Brote, die mit einem Plastikkamm perforiert werden. Das wird gemacht, damit man das Brot besser in Stücke reißen kann. Erst dann übernehme ich die Brote und befülle mit ihnen den Ofen. Wenn sie fertig sind und die richtige Farbe haben, holt mein Nachbar sie mit einer Eisenkralle aus der Hitze. Wir beide bekommen einen etwas höheren Lohn, weil wir direkt am Ofen arbeiten und die Arbeit schwerer ist. So wie wir backen, wird es seit vielen Jahrhunderten gemacht – nur das Gas ist modern. Der Besitzer der Bäckerei arbeitet selbst auch in diesem Raum. Über eine offene Theke an der Straße verkauft er das frische Brot.
Ursprünglich stamme ich aus der Gegend um Bagram, nördlich von Kabul, dort habe ich als Bauer gearbeitet. Doch es ist sehr schwer, mit Landwirtschaft über die Runden zu kommen. Darum bin ich in die Stadt gegangen. Jetzt lebe ich hier in Kabul mit meiner Frau und einer Tochter. Die Arbeit in der Bäckerei mache ich schon seit zwei Jahren. Brot wird immer gebraucht. Ich bin froh, dass ich Arbeit gefunden habe. Über die Zukunft mache ich mir keine Gedanken. Ich lebe nur für diesen Tag.“

Textdokumentation: Kay Meiners