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Champagner-Auftstand 1911 Magazin Mitbestimmung

Rätselhaftes Fundstück: Der Champagner-Aufstand

Ausgabe 05/2022

Champagner, einst ein Getränk des Adels, wird um die Wende zum 20. Jahrhundert immer beliebter. Als die explodierende Nachfrage auf eine Produktionskrise trifft, kommt es zu sozialen Unruhen. Von Kay Meiners

„Champagner oder Tod!“ steht auf einem der Schilder, die die Menschen durch die Straßen der kleinen Ortschaft Troyes tragen. „Ein hungernder Magen hat keine Ohren“ steht auf einem anderen. Die Frauen der Winzer und Weinbauern gehen zusammen mit ihren Männern auf die Straße. Ihr Zorn richtet sich gegen die großen Champagnerhäuser, die ihnen die Luft zum Atmen nehmen, gegen unlautere Konkurrenz – und gegen den Staat. Ihr gefährlichster Gegner ist nur einen Millimeter groß: die Reblaus, die aus den USA eingeschleppt wurde und riesige Ernteausfälle verursacht. Die einzige Lösung: Kahlschlag. Doch bis neue Trauben tragen, dauert es Jahre. Dazu kommen Pilz­erkrankungen und schlechtes Wetter. Jean Nolle­valle, ein Gewerkschaftssekretär der Winzer, berichtet von Missernten und „grauenvoller Armut“. Von den Champagnerhäusern fühlen sich die Menschen im Stich gelassen. Die Hersteller, die kaum Anbauflächen besitzen, sehen sich einer steigenden Nachfrage ausgesetzt, die sie mit den Trauben aus der Region nicht befriedigen können. Sie reagieren, indem sie fremde Ware zukaufen. Die billigen Trauben kommen mit der Eisenbahn – sogar aus Deutschland. Das Gerücht geht um, dass lieber mit Rhabarber gepanscht wird, statt mehr zu zahlen.

Im Jahr 1911 stoppen Weinbauern gewaltsam die Lieferung fremder Trauben. Die Reben kippen sie in die Marne. Bauern dringen in die Kellereien ein, zerstören ungezählte Flaschen Champagner. Ein Dorf im Département Marne, Ay, wo das Traditionshaus Bollinger seinen Sitz hat, wird weitgehend niedergebrannt. In vielen Orten kommt es zu Verwüstungen. Zeitgleich eskaliert ein anderer Konflikt: Die Winzer und Keltereien im Département Aube, wo die Stadt Troyes liegt, dürfen ihren Schaumwein nicht Champagner nennen. Ein Gesetz reserviert das prestigeträchtige Label für bestimmte Anbauzonen. Die Marne gilt als die berühmteste Zone, die Aube wird zunächst ausgeschlossen. Auch dagegen protestieren die Frauen auf dem Foto. Paris schickt 40 000 Soldaten in die Region, die sich am Rande eines Bürgerkrieges befindet. Das Gesetz wird noch 1911 wieder geändert. Die Aube-Winzer dürfen einen Champagner zweiter Klasse, „deuxième zone“, produzieren, nur regionale Trauben dürfen verwendet werden. Das entschärft den Konflikt etwas. Erst 1927 endet die Diskriminierung der Aube-Winzer.

Rätselfragen

  • In welchem Jahr erkannte die UNESCO Weinkeller und ­-berge wie auch verschiedene Häuser der Champagne als Weltkulturerbe an?
  • Für französische Weine einer bestimmten Herkunft war lange die Abkürzung „AOC“ gebräuchlich. Für welchen französischen Terminus steht sie?
  • Welche beiden Paragrafen des Friedensvertrags von Versailles untersagen seit 1919 Deutschland die Verwendung der Bezeichnung „Champagner“ für Schaumwein?

Alle richtigen Einsendungen, die bis zum 18.11.2022 bei uns ein­gehen, nehmen an einer Auslosung teil.

Preise

1. Preis: Gutschein der Büchergilde Gutenberg, Wert 100 Euro
2.– 4. Preis: Gutschein der Büchergilde Gutenberg, Wert 50 Euro

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