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Magazin Mitbestimmung

: Der Abgrund

Ausgabe 01+02/2009

WIRTSCHAFTSFPRÜFER Noch sind es kleine Feuer, die Arno Prangenberg zu löschen hat. Aber wenn er rechnet, das Worst-Case-Szenario unterstellt, dann ist da das große Nichts.

Aus der Sicht eines Wirtschaftsprüfers stellt sich der Unterschied zwischen Konjunkturdellen der Vergangenheit und dem aktuellen Einbruch folgendermaßen dar: "Früher haben wir erst mal geprüft, ob sich ein Unternehmen tatsächlich in einer Notlage befindet", erklärt Arno Prangenberg. Nicht selten reklamierten Geschäftsführer durchweg gesunder Betriebe mal eben eine Notlage, um den Flächentarifvertrag auszuhebeln und die Belegschaft zu Mehrarbeit oder Lohnverzicht zu drängen. "Das Thema kann man heute abhaken", befindet Prangenberg. "Wir haben es nicht mit Pseudo-Notlagen zu tun, sondern mit existenzbedrohenden Situationen - und zwar fast über alle Branchen hinweg."

Arno Prangenberg war früher Referatsleiter bei der Hans-Böckler-Stiftung, jetzt ist er Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Korthäuer & Partner. Die Essener Kanzlei gehört zu den wenigen der Branche, die sich systematisch das Geschäftsfeld Arbeitnehmerberatung erschlossen haben und im Auftrag von Betriebs- und Personalräten das Zahlenwerk von Unternehmen prüfen.

Seit Monaten sind Prangenberg und seine Prüfer-Kollegen ständig unterwegs zu den Klienten. "Feuerlöscheinsätze" nennt er das. Nachdem die Zahl der Unternehmens-Notlagen in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen war, brennt es jetzt an allen Ecken und Enden. Die Aufträge sind eingebrochen, Finanzinvestoren bekommen kein frisches Geld und geben den Druck an ihre Unternehmen weiter, selbst kommunale Krankenhäuser sehen sich mit der Kürzung von Kreditlinien konfrontiert. Notwendige Investitionen liegen auf Eis, berichtet Prangenberg, "weil die Firmen keine solide Finanzierungsplanung für 100 oder 200 Millionen hinbekommen - es sei denn, sie sind bereit, Mondkonditionen zu akzeptieren".

Anders als in früheren Abschwüngen, als die Probleme langsam herannahten und man Zeit für Gedanken über Alternativszenarien hatte, ist die Entwicklung für die Unternehmen diesmal kaum prognostizierbar. "Was soll denn beispielsweise ein Autozulieferer machen, wenn die großen Hersteller plötzlich verkünden, dass die Fabrik über Weihnachten sechs Wochen stillsteht und nicht, wie sonst, zwei Wochen?" Selbst die bewährten Instrumente der Krisen-Früherkennung versagen diesmal. "Es geht alles derart schnell", sagt Prangenberg, "dass die Krise eigentlich schon da ist, wenn ich sie erkannt habe."

Früher echauffierten sich die Prüfer manchmal über Sanierungspläne, die nicht mal den Namen verdienten, weil sie keinerlei belastbare Zahlen enthielten zum Beispiel. In der jetzigen Situation allerdings geraten Unternehmen trotz solider und belastbarer Planungen in die Krise. Sie agieren in zukunftsträchtigen Branchen, sind strategisch hervorragend aufgestellt und innovativ, haben klug investiert, verbrennen kein Geld und pflegen auch noch einen fairen Umgang mit ihren Mitarbeitern. Das Management hat keine Fehler gemacht. Es ist schlicht von der Wucht und Geschwindigkeit der Krise überrascht worden. "In solchen Fällen kann man niemand einen Vorwurf machen", sagt ein etwas ratloser Arno Prangenberg.

Gemeinsam mit den Betriebsräten loten die Wirtschaftsprüfer aus, was passieren könnte, wenn es nicht nur schlimm kommt, sondern ganz, ganz schlimm. "Man kann Stresstests machen, die Umsatzschraube ein weiteres Stück nach links drehen, noch mal zehn Prozent wegbrechen lassen und durchrechnen, wie sich das auswirkt", erklärt Prangenberg. Und dann? "Dann schaut man in den Abgrund."

Die Strategie beschränkt sich mangels gangbarer Alternativen notgedrungen darauf, "ein Stück zu überwintern" - so nennt es Prangenberg. Aber wie lang dauert der Winter, wie kalt wird er? "Bei unseren Planungen gehen wir davon aus, dass 2009 insgesamt ein mageres Jahr wird und danach eine Entlastung spürbar wird", glaubt Prangenberg. "Aber wir sind auch nicht schlauer als die Konjunkturforscher." Und die halten sich mit Prognosen über die Dauer der Krise derzeit vornehm zurück.

 

zur Person
ARNO PRANGENBERG, 44, studierte Betriebswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg - nach einer Ausbildung zum Fernmeldeelektroniker und mehreren Jahren Berufstätigkeit. Aus der Zeit seiner Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall in Köln Anfang der 90er Jahre ist ihm das Thema Kurzarbeit noch bestens vertraut. Von 1993 bis 1997 leitete er ein Wirtschaftsreferat in der Hans-Böckler-Stiftung und wechselte dann zur Essener Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Korthäuer und Partner. Prangenberg wurde zunächst zum Steuerberater, dann auch zum Wirtschaftsprüfer bestellt und ist seit 2006 Geschäftsführer der Gesellschaft. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählt die Beratung von Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräten. Prangenberg hat mehrere Bücher und zahlreiche Fachbeiträge zur Unternehmensbesteuerung und zu Konzernabschlüssen veröffentlicht.

 

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