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Gunther Sanwald singt seinen Gewinnersong bei der IG-Metall- Konferenz in Leipzig. Magazin Mitbestimmung

Songwettbewerb: Den Nerv getroffen

Ausgabe 03/2022

Gunther Sanwald gewann mit „Lasst uns die Antwort sein!“ den IG-Metall-Contest zur Fairwandel-Kampagne. Von Martin Kaluza

Es sind erst ein paar Takte gespielt, da klatscht das Publikum schon mit. Gunther Sanwald dreht sich zu seinen Mitmusikern und wartet auf seinen Einsatz. „Bilder, die uns tief berühren, die Welt ist aus dem Lot.“ Die beiden Gitarristen nehmen Fahrt auf unter der Stuckdecke des Weißen Saals in der Leipziger Kongresshalle. Sanwald singt über die Not, die er im Fernsehen sieht. Und darüber, dass, wer jetzt nicht handelt, verliert: „Das geht an alle da draußen, wir lassen niemand allein!“ Das „Oh-ooohooo!“ des Refrains singt das Publikum sofort mit. „Lasst uns die Antwort sein, wir sind nicht allein!“

Es ist sofort ein Draht da zwischen Band und Publikum. Das Publikum, das sind Metallerinnen und Metaller, die zum Kongress des Projekts „IG  Metall vom Betrieb aus denken“ nach Leipzig gekommen sind. Der Song ist ganz neu, Sanwald hat gerade erst den Songwettbewerb der Kampagne Fairwandel gewonnen. Gefragt war ein Lied, das den Nerv der IG Metall trifft, das Zusammenhalt schafft und die Werte der Gewerkschaft widerspiegelt. Man muss sich nur kurz umschauen hier: Sanwald singt offene Türen ein.

Dabei spricht er durchaus schwierige Themen an. „Autoland ist ausgebremst“, singt Sanwald an einer Stelle, weil die Branche sich dem Klimawandel stellen muss. Kann man das machen bei der IG Metall? „Mich haben die Bilder vom Ahrtal tief beeindruckt. Ich habe gespürt, dass man etwas unternehmen muss, auch wenn es die eigene Arbeitswelt betrifft“, sagt Sanwald. In seinem Song „Lasst uns die Antwort sein!“ spannt er einen weiten Bogen vom Gefühl, dass die Krisen zunehmen, bis zur Angst, sozial abgehängt zu werden, und der Gefahr, dass die Rechtspopulisten davon profitieren. Der Song wirkt entschlossen hoffnungsvoll. Die Botschaft: Die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich bewältigen, wenn man zusammensteht.

Dass der Song den Geist der IG Metall trifft, ist kein Zufall. Der Songwriter ist selbst schon lange Mitglied. In diesem Jahr geht er in seine dritte Amtszeit als Betriebsratsvorsitzender bei Wohlhaupter, einem Hersteller von Präzisionswerkzeugen im Landkreis Esslingen bei Stuttgart. Mittelständisches Unternehmen, 180 Mitarbeiter, familiengeführt. „Ich war schon 22 Jahre in der Firma, als ich kandidierte. Wir waren mit dem alten Betriebsrat unzufrieden. Da sagten die Kollegen: ‚Sanwald, du hast eine große Klappe. Kandidier doch!‘“

Damals stand ein Generationenwechsel an, die Besitzerfamilie bereitete den Verkauf eines Mehrheitsanteils an ein großes US-amerikanisches Unternehmen vor, die Stimmung in der Belegschaft war angespannt. „Die IG Metall hatte Hausverbot. Wir sind angetreten, um sie wieder reinzubringen. Der 70-jährige Chef hat Zeter und Mordio geschrien“, erzählt Sanwald. Als Betriebsratsvorsitzender arbeitete er sich in Ergänzungstarifverträge ein, in Entlassungsverträge, befasste sich mit dem geplanten Verkauf. Von Anfang an sah er sich als Teamplayer. „Ich habe einen tollen Stellvertreter, der tief in der Materie steckt, der aber meinte, er könne nicht vor Pu­blikum reden. Das müsse ich machen“, sagt Sanwald. Das war vor neun Jahren. Inzwischen ist noch ein Amt hinzugekommen: Auf Vorschlag der IG Metall Esslingen wurde er Anfang letzten Jahres zum ehrenamtlichen Richter am Arbeitsgericht Stuttgart berufen.

Als Sanwald die E-Mail mit dem Aufruf zum Songwettbewerb der IG Metall in seinem Postfach fand, setzte er sich gleich an den ersten Entwurf. Ganze Papierkörbe habe er mit immer neuen Versuchen gefüllt. Auch musikalisch probierte Sanwald verschiedene Variationen aus, mal schneller, mal langsamer. Klar war: Der Song sollte von 18 bis 80 hörbar sein, alle mitnehmen, so, wie es zur IG Metall passt. „Im Refrain wollte ich etwas Hymnisches“, sagt ­Sanwald, und das passt genau zu seinen musikalischen Vorlieben. Ihm gefällt der klassische Mainstream, Pop-Rock mit deutschen Texten. Die Songs, die er schreibt, müssen nicht immer eine politische Botschaft haben. „Lasst uns die Antwort sein!“ hat eine, und zwar auf eine Art, die zu dem Gewerkschafter Sanwald passt. „Ohne die Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender wäre es ein anderer Text geworden“, sagt er.

Seit Sanwald den Songwettbewerb gewann, ist er schon öfter damit aufgetreten. Das erste Mal auf der Kundgebung des DGB zum 1. Mai in Frankfurt. Auf dem IG-Metall-Kongress spielt er den Song mit seiner Band in der Messehalle 1 das erste Mal gegen Mittag: 340 Quadratmeter große Bühne, in der Mitte des Publikums aufgebaut, Hammeranlage, 1500 Leute. „Ich mache seit 47 Jahren Musik“, sagt Sanwalds Mitmusiker Roland Schubert, „aber so einen Endorphinschub habe ich noch nie gehabt.“

Abends spielt die Band noch einmal ausführlicher. „Es ist geil, wie ihr uns durch den ganzen Tag tragt“, sagt Sanwald zwischen zwei Songs. Als Zugabe spielen sie noch einmal „Lasst uns die Antwort sein!“. Noch Stunden später sieht man ihm und seiner Band an, wie die Reaktion des Publikums sie berührt hat. „Die Leute klatschen und singen deinen Song“, sagt Sanwald. „So wollte ich schon immer mal von der Bühne gehen!“

Fairwandel-Songwettbewerb: Die Plätze

Platz zwei: Chris die Krise: „Fairwandel“

„Wir verhandeln knallhart, wie unser Name schon sagt / Wir sind IG Metall und für euch am Start.“ Mit Wortwitz und Indie-Charme beschreibt „Chris die Krise“, der eigentlich Christopher Schmidt heißt, was wir an den Gewerkschaften haben. „Politisch heißt ja nicht, dass der Spaß zu kurz kommen muss“, sagt Schmidt, der ­gerade zum zweiten Mal in den Betriebsrat bei Mitsubishi Powers gewählt wurde. Mit 16 fing er an, Musik zu machen, mit seinem besten Kumpel. Im letzten Jahr schrieben sie einen Song für das Montagelabor. „Die machen die ganze schwere Arbeit, und die im Büro wissen das manchmal nicht zu schätzen.“ Dann landete die Mail mit der Einladung zum Songwettbewerb in seinem Postfach.

Platz drei: Thomas Schulte-Hiltrop: „Aufbruch“

Ein Klaviermotiv in Moll, düster schwillt ein Keyboard an. „Es ist ein Aufbruch in die Zukunft. Unser Tun bleibt unerlässlich wie ein Herz, das Blut pumpt“, rappt Thomas Schulte-Hiltrop. Der Musiker betreibt seit 2017 eine Produktionsfirma, baut Beats und Instrumentals, über die Rapper ihre Reime legen. Hier greift er selbst zum Mikro. Auf die Bestandsaufnahme in den Strophen folgt ein hoffnungsvoller Refrain, gesungen von Isabella Schulte-Hiltrop: „Fairwandel ist so viel mehr als nur ein Motto oder eine Aktion. Fair handeln, gemeinsam für ein gutes Leben, für mehr Gleichheit und Lohn!“

Die Songs der Plätze eins bis drei kann man hier nachhören: https://www.igmetall.de/mitmachen/fairwandel-song

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