Quelle: HBS
Magazin MitbestimmungAbschlussprüfung: Das Zusammenspiel macht’s
Die Qualität der Prüfung von Jahres- und Konzernabschluss steht und fällt mit der Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer. Wir zeigen, worauf es im aktuellen Rechtsrahmen ankommt.
Die Rechnungslegung soll Rechenschaft über das Ergebnis unternehmerischer Tätigkeit in einem bestimmten Zeitraum ablegen. Auf ihrer Grundlage melden verschiedene Akteure – Gesellschafter, Gläubiger, Fiskus, Arbeitnehmer, Kunden und Wettbewerber – ihre Ansprüche an das Unternehmen an. Es handelt sich bei der Prüfung der Rechnungslegung nicht nur um eine Kerntätigkeit der Unternehmenskontrolle, sondern auch um eine Aufgabe von öffentlichem Interesse. Seit 1931 besteht in Deutschland eine gesetzliche Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses größerer AGs durch einen Wirtschaftsprüfer. Dieser sollte dem Aufsichtsrat als „Hilfsorgan“ dienen. Daneben wurde ihm jedoch auch eine eigenständige „Garantiefunktion gegenüber der Öffentlichkeit für die Richtigkeit der Rechnungslegung“ zugeschrieben. „Damit wurde der Abschlussprüfer mehr und mehr aus der Rolle des Gehilfen des Aufsichtsrats herausgenommen und mehr und mehr in die Nähe des Vorstands gerückt, der ja den Jahresabschluss aufzustellen hatte und hat“, schreiben die Unternehmensrechtler Marcus Lutter und Gerd Krieger in ihrem Standardwerk „Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats“. Weiter heißt es: „Es lag nahe, dass der Vorstand sich zuvor mit dem Abschlussprüfer verständigte, um unterschiedliche Meinungen schon im Vorfeld ausräumen zu können.“
Die Pflicht des Aufsichtsrates, den Jahres- und Konzernabschluss zu prüfen, ergibt sich aus § 171 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes (AktG). Sie kann nach dem Willen des Gesetzgebers – anders als manch andere Aufgabe – gemäß § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG vom Aufsichtsrat ausdrücklich nicht an einen Ausschuss delegiert werden. Auch dann, wenn ein Prüfungsausschuss existiert, muss sich jedes einzelne Mitglied des Aufsichtsrates mit den Abschlussunterlagen (Prüfungsberichte, Jahres- und Konzernabschluss, Gewinnverwendungsvorschlag) befassen, diese prüfen und sich selbst ein Urteil bilden.
Die Jahres- und Konzernabschlüsse von Kapitalgesellschaften sind gemäß § 316 Abs. 1 und 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) durch einen Abschlussprüfer zu prüfen. Dessen Ergebnisse, dokumentiert im Prüfungsbericht und im Bestätigungsvermerk, ersetzen allerdings nicht die eigenständige Prüfung des Abschlusses durch den Aufsichtsrat. Allerdings sind diese Unterlagen in der Praxis neben der mündlichen Berichterstattung des Prüfers in der Bilanzsitzung und den Abschlüssen selbst in der Regel die einzige Grundlage für die Prüfung durch den Aufsichtsrat.
AUFSICHTSRAT IST HERR DES AUSWAHLVERFAHRENS
Die Beauftragung eines Abschlussprüfers gehörte lange nicht zu den Pflichten des Aufsichtsrates. Erst seit 1998 durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmen (KonTraG) § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG neu formuliert wurde, erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag. Früher erledigte dies der Vorstand selbst. Der Beauftragung sind mehrere Schritte vorgeschaltet: 1. eine Empfehlung des Prüfungsausschusses (soweit der Aufsichtsrat einen solchen eingerichtet hat) an den Aufsichtsrat zum Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers, 2. ein Vorschlag des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung zur Wahl des Abschlussprüfers, 3. die Wahl des Abschlussprüfers durch die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung.
Die dann mit dem Prüfer zu treffende Auftragsvereinbarung enthält neben einer Honorarregelung gegebenenfalls auch speziell vom Aufsichtsrat formulierte Prüfungsschwerpunkte. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Prüfungsgegenstand und -umfang durch die Auftragsvereinbarung nicht unter das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß (§ 317 HGB) gelangen dürfen. Auch hat der Abschlussprüfer im Rahmen seines eigenen pflichtgemäßen Ermessens Prüfungsschwerpunkte zu setzen, was ihm der Aufsichtsrat nicht verwehren kann. Zwar wird der Abschlussprüfer erst durch die Hauptversammlung gewählt. Dem Aufsichtsrat fällt jedoch das Vorschlagsrecht zu.
In der Regel wird vor der Formulierung des Vorschlags an die Hauptversammlung ein Auswahlverfahren durchgeführt. Interessierte Prüfungsgesellschaften können sich an einer Ausschreibung beteiligen. Was sich Vorstände vom Abschlussprüfer wünschen, hat der Telekom-Finanzvorstand Timotheus Höttges als Redner einer Tagung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft im April 2011 offen formuliert. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ zitiert ihn wie folgt: „Was erwartet ein Konzern wie die Telekom bei Ausschreibungen von Abschlussprüfern?“ Wirtschaftsprüfer müssten ihm, dem Finanzvorstand, „rund um die Uhr, sieben Tage die Woche“ zur Verfügung stehen. Er fordere zudem aktive Beratung der Verwaltung in aktuellen Entscheidungssituationen, „um Haftungsfragen zu entgehen“. Außerdem sollten sowohl die Vertretung der Unternehmensinteressen bei internationalen Standardsetzern als auch die Telekom – gemeint war wohl der Vorstand – jederzeit den „Bearbeitungsstand des Prüfungsprozesses einsehen können“. Doch der Abschlussprüfer ist kein Hilfsorgan des Vorstandes, seine Auswahl ist Angelegenheit des Aufsichtsrates. Es liegt an ihm, das Auswahlverfahren zu strukturieren und Kriterien für die Bewertung der Prüfer und ihrer Angebote zu formulieren. Dabei sollten qualitative Kriterien zur Beurteilung von Prüfungsplanung, Prüfungsablauf und Berichterstattung sowie von fachlicher und branchenbezogener Expertise des Prüfungsteams angewandt werden. Die Prüfungsqualität bemisst sich für den Aufsichtsrat nicht am niedrigsten Preis.
KRITERIEN GUTER ZUSAMMENARBEIT
Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) empfiehlt für börsennotierte Gesellschaften, mit dem Prüfer zu vereinbaren, dass er über alle für die Aufgaben des Aufsichtsrats wesentlichen Feststellungen und Vorkommnisse unverzüglich berichtet (Ziffer 7.2.3 DCGK). Neben dieser anlassbezogenen Kommunikation sollte der Aufsichtsrat bzw. der Prüfungsausschuss während der Prüfung in regelmäßigem Kontakt zum Abschlussprüfer stehen. Das Gesetz schreibt die Teilnahme des Abschlussprüfers an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses vor (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG). In der Praxis sollte der Abschlussprüfer an beiden Sitzungen teilnehmen, da die Prüfung des Jahresabschlusses – unabhängig vom Bestehen eines Prüfungsausschusses – eine Vorbehaltsaufgabe des Plenums, also aller Aufsichtsratsmitglieder ist. Darüber hinaus empfiehlt sich eine Teilnahme des Abschlussprüfers an allen Sitzungen des Prüfungsausschusses. Soweit kein solcher gebildet ist, sollte der Aufsichtsrat eine zeitweise Sitzungsteilnahme des Abschlussprüfers, zum Beispiel zur Quartalsberichterstattung, in Betracht ziehen.
Der Abschlussprüfer hat über das Ergebnis seiner Prüfung Bericht zu erstatten. Dazu fasst er im Bestätigungsvermerk das Prüfungsergebnis zu einem Gesamturteil zusammen. Dieser Bestätigungsvermerk (Testat) ist an die Öffentlichkeit gerichtet. Die für die Prüfung des Abschlusses durch den Aufsichtsrat und auch für seine weiteren Überwachungsaufgaben relevanten Informationen enthält der Prüfungsbericht. Der Prüfungsbericht ist – neben den eigentlichen Abschlussunterlagen – Prüfungsgrundlage für den Aufsichtsrat. Bis zum Inkrafttreten des KonTraG war der Bericht des Abschlussprüfers nach der Unterzeichnung dem Vorstand vorzulegen. Seitdem hat der Prüfer den Bericht dem Aufsichtsrat vorzulegen, wenn dieser den Prüfungsauftrag erteilt hat. Dem Vorstand ist vor Zuleitung des Berichts an den Aufsichtsrat lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Bei seiner Prüfung hat der Aufsichtsrat zunächst zu beurteilen, ob der Abschluss ordnungsgemäß aufgestellt und rechtmäßig ist, ob dieser also den gesetzlichen Normen und satzungsrechtlichen Regelungen entspricht. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat die Zweckmäßigkeit der Bilanzpolitik zu beurteilen. Zwar ist die Abschlussprüfung unmittelbar nur eine Prüfung auf Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Rechnungslegung und der zugrunde liegenden Unterlagen, also der Buchhaltung. Der Prüfungsbericht sollte das Aufsichtsratsmitglied deshalb nicht nur in die Lage versetzen, die Ordnungs- und Rechtmäßigkeit des Abschlusses zu beurteilen. Durch die Ausführungen des Abschlussprüfers sollte es sich zum Beispiel auch ein Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft, von möglichen Bestandsgefährdungen oder Entwicklungsbeeinträchtigungen und von den wesentlichen Bewertungsgrundlagen einschließlich der Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten und der Ausnutzung von Ermessensspielräumen machen können. Eine Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Bilanzpolitik des Unternehmens durch den Aufsichtsrat sollte auf der Basis des Prüfungsberichts möglich sein. Das intensive Studium des gesamten Berichts ist dazu selbstverständlich.
Im Rahmen der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses hat der Prüfer über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten, insbesondere über auf den Rechnungslegungsprozess bezogene Schwächen des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems, über Umstände, die eine mögliche Befangenheit befürchten lassen, sowie über Leistungen, die er zusätzlich zu den Abschlussprüfungsleistungen erbracht hat. Die Bilanzsitzung sollte zur intensiven Diskussion mit dem Abschlussprüfer genutzt werden. So kann der Abschlussprüfer um eine Wertung der im vorliegenden Abschluss ausgeübten Bilanzpolitik aus seiner Sicht gebeten werden. Auch kann die Frage gestellt werden, ob der Abschlussprüfer dem Vorstand einen sogenannten Management-Letter geschrieben hat oder ob es aus Sicht des Prüfers Beratungsbedarf ohne die Anwesenheit des Vorstands gäbe.
Als Management-Letter bezeichnet man einen Bericht über Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten, den der Prüfer unter Umständen zusätzlich zum Prüfungsbericht und zum Bestätigungsvermerk für das geprüfte Unternehmen verfasst. Es dürfen allerdings keine berichtspflichtigen Tatsachen im Management-Letter anstatt im Prüfungsberichts dargestellt werden. Eine Verpflichtung, einen solchen Letter zu verfassen, besteht nicht. Darüber hinaus sollten aus diesem Anlass auch Hinweise zur Qualität von Prüfung und/oder Berichterstattung aus Sicht des Aufsichtsrats an den Prüfer gegeben werden.
Die – auch durch das IDW-Positionspapier zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer – unter Aufsichtsratsmitgliedern beförderte Diskussion ist positiv zu werten. Der Aufsichtsrat ist zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung seiner Pflicht zur Prüfung des Abschlusses nicht nur auf einen guten Prüfer, sondern auch auf eine gute Zusammenarbeit mit diesem angewiesen. Die Qualität einer Abschlussprüfung profitiert wiederum davon, dass der Abschlussprüfer vom Aufsichtsrat aktiv einbezogen wird.
Text: Arno Prangenberg, Wirtschaftsprüfer bei Korthäuer und Partner, Essen, und Mitglied des Arbeitskreises Fortentwicklung der Corporate Governance des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW)
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Aus der Begründung zum neuen § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG: „Der Prüfer des Jahresabschlusses wird von der Hauptversammlung gewählt. Bislang ist es der Vorstand, der nach erfolgter Beschlussfassung dem Abschlussprüfer den Auftrag erteilt (...). Dadurch kann der Eindruck einer zu großen Nähe des Prüfers zum Vorstand entstehen. Die Hilfsfunktion des Prüfers für den Aufsichtsrat bei der Bewältigung seiner Kontrolltätigkeit und die Unabhängigkeit des Prüfers vom Management sollen unterstrichen werden. Die Auftragserteilung soll dem Aufsichtsrat übertragen werden. Als Ergebnis der Anhörungen wird ferner bestimmt, daß der Aufsichtsrat auch den Auftrag für die Prüfung des Konzernabschlusses zu erteilen hat.“
Quelle: BT-Drucksache 13/9712, S. 16 f
Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hat im Mai 2012 ein IDW-POSITIONSPAPIER ZUR ZUSAMMENARBEIT VON AUFSICHTSRAT UND ABSCHLUSSPRÜFER veröffentlicht. Das Papier wurde vom IDW-Arbeitskreis „Fortentwicklung der Corporate Governance“ entwickelt. Der Autor dieses Beitrags hat an der Erstellung des Papiers mitgewirkt. Zum Download
Arno Prangenberg/Achim Sollanek: DIE BEAUFTRAGUNG DES ABSCHLUSSPRÜFERS DURCH DEN AUFSICHTSRAT. Arbeitshilfe für Aufsichtsräte 12 der Hans-Böckler-Stiftung, 4. erw. Neuauflage, Düsseldorf 2010