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Magazin Mitbestimmung

Interview: „Das IWP-Projekt gibt uns eine Riesenchance“

Ausgabe 06/2014

Dietmar Welslau, Geschäftsführer Personal der Telekom Deutschland, über seine Qualifizierungspläne im Zuge der Umstellung auf die nächste Netzgeneration (NGN). Das Gespräch führten Carmen Molitor und Cornelia Girndt.

Herr Welslau, mit der geplanten Umstellung auf Next Generation Network bis 2018 steht die Telekom vor einem radikalen Wandel. Zunächst braucht man mehr Mitarbeiter, nach der Umstellung aber sehr viel weniger. Wie organisieren Sie das?

Bei uns beginnt eine andere Zeitrechnung. Wir kommen aus einer langen Historie von Personalabbau und -umbau. Durch die Privatisierung und damit verbundene wirtschaftliche Zwänge ist das Unternehmen jedes Jahr um fast 10 000 Beschäftigte kleiner geworden. Das haben wir über Vorruhestand, Altersteilzeit und Abfindungsmodelle vernünftig hinbekommen. Jetzt stehen wir vor einem Umbau, der uns zum ersten Mal seit 15 Jahren in einen Aufbaumodus bringt. Wir müssen 70 000 Menschen mental und inhaltlich-qualifikatorisch in etwas Neues mitnehmen. 

Aber der Personalbedarf für den Umbau der technischen Infrastruktur und die Umstellung auf All-IP – das ist doch nur ein Zwischenhoch. Liegt die Herausforderung eher in der nötigen Qualifizierung der Beschäftigten, die bleiben, oder im sozialverträglichen Ausscheiden

Wenn jemand Expertise im sozialverträglichen Stellenabbau hat, dann ist es diese Firma. Aber planerisch und ich hoffe auch faktisch stellt sich das Thema in den nächsten fünf Jahren gar nicht. Es geht jetzt darum, sich zu verändern und sich auf eine neue Welt einzulassen – wenn auch mit der Perspektive, dass es nach den fünf Jahren mit der Beschäftigung wieder runtergeht. 

Die Mitarbeiter bezeichnen das als „Abrisskante 2018“. Vor allem bei den Älteren gibt es Sorgen, wie es für sie danach im Konzern weitergeht. 

„Abrisskante“ finde ich zu martialisch. Es ist nicht so, dass man Ende 2018 einen Schalter umlegt und mit einem Mal sind 10 000 Arbeitsplätze weg. Wir arbeiten vielmehr an der Frage, welche Perspektive die Bestandbelegschaft hat. Bei uns gibt es eine große Anzahl von Beschäftigten im Alter zwischen 50 und 55 Jahren. Ich will möglichst vielen von ihnen sagen: „Die Zeit hat sich geändert. Wir braucht dein Know-how noch fünf oder sechs Jahre – und wir bieten dir danach ein attraktives, mit ver.di abgestimmtes Altersteilzeitmodell.“ 

Heißt das, ein Teil der Belegschaft muss von Bord gehen? 

Wir haben den Beschäftigten schon sehr frühzeitig gesagt, dass mit All-IP signifikant viele der bisherigen Aufgaben, etwa im Außendienst oder bei Schaltungsarbeiten, wegfallen. Darüber reden wir offen mit den Sozialpartnern. Auf einer Zeitachse von acht Jahren werden wir um die 10 000 bis 15 000 Arbeitsplätze verlieren. Diese Größenordnung mussten wir in der Vergangenheit oft in nur einem Jahr stemmen. Ich gehe nun davon aus, dass ungefähr 10 000 Beschäftigte mit Alterszeitverträgen ausscheiden werden. Ja, es werden weniger Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, aber es macht mich nicht nervös, weil ich glaube, wir sind sehr gut darauf vorbereitet

Wer bleibt braucht systematische Fortbildung, um den technischen Wandel mitzumachen. Wie organisieren Sie das? Auf welche Art erfassen Sie, welche Qualifikationen die Beschäftigten schon haben und worauf Sie aufbauen können?

Wir haben keine konzernweite Skill-Datenbank, die auf Knopfdruck angibt, der kann dieses oder die kann jenes, sondern arbeiten mit standardisierten Berufsbildern. Wir wissen beispielsweise bei einem Techniker, der den Service bei Privatkunden vor Ort macht, recht genau, was er können muss und soll. Das übersetzen wir in Qualifizierungsmodule und checken mit Ressort- oder Teamleitern, welcher Mitarbeiter was mitbringt und was ihm noch fehlt. 

Über Zukunftsbedarfe zu informieren ist primär Aufgabe des Unternehmens und des Personalbereiches. Warum macht die Telekom das IWP-Projekt, in dem Betriebsräte als Treiber eine entscheidende Rolle spielen? 

Das IWP-Projekt gibt uns eine Riesenchance, den Qualifizierungsbedarf integriert zu vermitteln. Die Betriebsräte bieten eine perfekte Plattform, um überhaupt erst einmal die Bedeutung von der nächsten Netzgeneration für den Arbeitsalltag klarzumachen und zu verbreiten. Mit dem sozialpartnerschaftlichen Ansatz unterstreichen wir, dass wir alle eine Notwendigkeit zur Veränderung sehen. 

Was ist für Sie die wichtigste Botschaft, die die Betriebsräte in diesem Projekt an die Belegschaft transportieren sollten?

Veränderung lohnt sich! Es ist noch nicht allen Telekom-Beschäftigten klar, dass die NGN-Welt das Arbeitsleben revolutioniert. Das IWP- Projekt kann verdeutlichen, dass man zurzeit eine Weiterbildung wirklich braucht, weil es einem geschäftlichen Bedarf entspricht und das keine abstrakte Vorratsqualifizierung ist. Wenn wir uns jetzt nicht verändern würden, dann wären wir in ein paar Jahren quasi weg vom Markt. Wir müssen zukunftsfest werden und neue Kunden gewinnen. 


Um Arbeitsplätze zu halten, braucht die Telekom nach 2018 neue Geschäftsfelder. Welche könnten das sein? 

Wir wollen insbesondere mit Partnern gemeinsam neue Services entwickeln. Diese sollen Beschäftigung schaffen, die wirtschaftlich sinnvoll ist. Die größte Veränderung haben wir im Außendienst, beim Technischen Service. Da ändert sich das Berufsbild in einen Service plus Vertrieb. Hier sind wir bereits auf einem guten Weg.

Der Techniker wird zum Internet-Hausmeister … 

Zum Beispiel. Aber er hat dann auch noch ein ganzes Portfolio an Dingen im Gepäck, die das Leben des Kunden erleichtern können. Wenn er bei einer Störung vor Ort ist, die durch einen Bedienungsfehler ausgelöst wurde, kann er dem Kunden beispielsweise für ein paar Euro mehr ein Abo-Modell anbieten – und wenn der Kunde das nächste Mal durch einen Bedienungsfehler ein Problem hat, kommt der IT-Sofort-Service. Das funktioniert wie ein Schutzbrief. Interessant ist auch das Online-Energiemanagement im Haus, das Smart Metering. Im Moment gibt es noch keine Standardisierung, der gesetz­geberische Rahmen fehlt. Aber wenn der mal da ist, können wir viele neue Services anbieten, denn das läuft über unsere Netze. 

Können denn Ihre Techniker so einen Kundendialog führen? 

Um das zu erreichen, qualifizieren wir sie nicht nur in Sachen technologische oder produktbezogene Veränderungen, sondern auch in Sachen Kundenkontakt. Wie trete ich vor Kunden auf? Was erwartet der Kunde? Das lernen sie. Gute Kommunikation wird bei Dienstleistungen immer wichtiger, davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt. 

Wie wollen Sie Ihre Botschaften besser an die Beschäftigten bringen, wenn die zum Teil noch keine Ahnung haben, was sie erwartet. 

Wichtig ist: Wir haben eine stabile Fünf-Jahres-Perspektive für das Programm „Telekom Deutschland 2018“ und wissen, was wir erreichen wollen. Wir informieren die Beschäftigten jetzt darüber, welchen Beitrag wir von ihnen oder ihrem Ressort dabei erwarten. Mein Team tourt bundesweit durch die Standorte, um vor Ort den Dialog mit unseren Mitarbeitern zu beginnen. Die Standorte und die Zentrale in Bonn – das versuchen wir derzeit stärker zusammenzubringen. Aber das braucht Zeit.

Zur Person

Dietmar Welslau, 52, ist seit 2010 Geschäftsführer Personal der Telekom Deutschland GmbH. Zuvor war der Jurist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld und arbeitete danach bei den Mannesmannröhren-Werken. Welslau ist seit 1996 bei der Deutschen Telekom als Personalmanager beschäftigt, war bei T-Home und Vivento. Der Geschäftsführer Personal beweist seinen Optimismus als Fan des Zweitliga-Absteigers Arminia Bielefeld, dem er die Treue hält. 

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