zurück
SW-Porträts Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende (li.), Andrea Hammermann, Arbeitsmarktforscherin beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Braucht es ein individuelles Recht auf Weiterbildung?

Ausgabe 02/2025

Über das Für und Wider eines gesetzlich verankerten individuellen Anspruchs auf Weiterbildung diskutieren die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack und Andrea Hammermann vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

JA.

Die Arbeitswelt verändert sich rasant: Digitalisierung, Klimawandel, demografischer Wandel – all das stellt Beschäftigte vor große Herausforderungen. Wer bei diesem Tempo Schritt halten will, braucht Sicherheit: Sicherheit, dass er oder sie nicht abgehängt wird, Sicherheit, dass Weiterbildung keine Frage des Geldbeutels ist. Genau deshalb brauchen wir ein individuelles Recht auf Weiterbildung.

Aktuell sehen wir jedoch, dass zu viele Menschen keinen Zugang zu Qualifizierung haben, weil sie es sich finanziell nicht leisten können oder weil ihre Arbeitgeber ihnen keine Unterstützung bieten. Besonders Frauen, Menschen mit geringerer Qualifikation und Beschäftigte in kleinen Betrieben bleiben oft außen vor. Dabei ist Weiterbildung kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit – für die Beschäftigten genauso wie für unsere Wirtschaft.

Wir als DGB sagen: Jeder Mensch muss die Chance haben, sich weiterzuentwickeln, sich auf neue Anforderungen vorzubereiten und sein Berufsleben aktiv zu gestalten. Weiterbildung darf nicht vom Wohlwollen einzelner Arbeitgeber abhängen, sondern muss ein einklagbares Recht sein. Und: Wer sich weiterbilden will, braucht finanzielle Förderung. Deshalb fordern wir eine umfassende Bildungszeit, eine öffentliche Förderung für Weiterbildung und starke Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte. Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft – für jede und jeden von uns.

ELKE HANNACK, stellvertretende DGB-Vorsitzende


Nein.

Lebenslanges Lernen ist in Zeiten des strukturellen Wandels der Arbeitswelt wichtiger denn je. Dafür tragen neben den Unternehmen auch die Beschäftigten selbst Verantwortung. Diese Verantwortung nehmen Betriebe und Beschäftigte bereits wahr, wie die Zahlen der IW-Weiterbildungserhebung zeigen. Danach gaben Arbeitgeber im Jahr 2022 im Schnitt pro Beschäftigten 1347 Euro für Weiterbildung aus und investierten 20,3 Stunden.

Arbeitgeber und ihre Beschäftigten können am besten beurteilen, wann wer welche Lernformate und -inhalte braucht. Weiterbildungsangebote von der Stange helfen weder dem Betrieb noch sichern sie Arbeitsplätze. Ein pauschales Recht auf Weiterbildung würde Druck ausüben, Beschäftigte auch bei angespannter Personaldecke für Weiterbildung freistellen zu müssen. Weiterbildung würde sich nicht unbedingt am betrieblichen Bedarf orientieren, und die Beschäftigten könnten das Erlernte im Anschluss nicht zeitnah anwenden. Das verursacht Frust auf beiden Seiten.

Der Einsatz von finanziellen und personellen Ressourcen ist eine unternehmerische Aufgabe. Ein individueller Rechtsanspruch für Weiterbildung würde Mittel binden und neue Bürokratie schaffen. Das alles würde die Gestaltungsmöglichkeiten von Unternehmen in Deutschland einschränken, die sie aber dringend brauchen, um ich erfolgreich neuen Markt- und Wettbewerbsanforderungen im In- und Ausland zu stellen.

ANDREA HAMMERMANN, Arbeitsmarktforscherin beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW)


Und Ihre Meinung?

Was halten Sie davon? Schreiben Sie an: redaktion[at]boeckler.de

Zugehörige Themen