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Schwarz-weiß Porträts von Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung (l.) und Matthias Warneke, Leiter des Deutschen Steuerzahlerinstituts des Bundes der Steuerzahler. (r.) Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Brauchen wir eine Vermögensteuer?

Ausgabe 04/2024

Ja, sagt Christina Schildmann aus der Hans-Böckler-Stiftung, damit die gesellschaftlichen Lasten gerechter verteilt werden. Nein, warnt Matthias Warneke vom Bund der Steuerzahler, denn die Vermögenssteuer wäre am Ende ein Minusgeschäft für die Gesellschaft.

JA.

Der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und der Klimawandel verursachen hohe gesellschaftliche Kosten, die wir stemmen müssen, ohne dass es zu sozialen Verwerfungen kommt. Die Vermögensteuer bietet die Möglichkeit, einen Teil der Last auf die stärkeren Schultern der Gesellschaft zu verteilen.

Die Verfassung erlaubt eine Vermögensteuer nicht nur, sie gebietet sie inzwischen sogar. In einem von uns geförderten Gutachten weist Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und öffentliches Recht an der Hochschule für Management und Recht in Berlin, darauf hin: Wenn man sich anschaut, wie ungleich Vermögen verteilt ist und wie groß der Finanzbedarf des Staates ist, hilft eine Vermögensteuer, grundlegende Prinzipien der Verfassung zu verwirklichen.

Denn sie schafft mehr Steuergerechtigkeit: Wenn jemand neben seinem Einkommen Millionen in Aktien angelegt hat, ist er leistungsfähiger als jemand, der nur ein Einkommen aus seiner Arbeitskraft bezieht. Außerdem muss der Gesetzgeber einschreiten, wenn das Ausmaß der Ungleichheit nicht mehr zu rechtfertigen ist, denn es gefährdet die Demokratie. Wie groß das Ausmaß ist, zeigte eine andere, von uns geförderte Studie vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Danach gibt es mehr Milliardenvermögen in Deutschland, als bislang angenommen. Auch wurden die Supervermögen unterschätzt: Ihr Wert dürfte statt rund 900 Milliarden etwa 1400 Milliarden Euro umfassen.

CHRISTINA SCHILDMANN ist Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung.


NEIN.

Am Ende wäre weniger und nicht mehr Geld in der Staatskasse. Bei einer zweiprozentigen Vermögensteuer müsse er Deutschland verlassen, sagte Milliardär Hasso Plattner – bis vor Kurzem noch SAP-Aufsichtsratschef – 2019 in einem  FAZ-Interview. Man mag das für eine leere Drohung halten. Man kann aber auch nach Frankreich schauen. Dort haben wegen der Vermögensteuer innerhalb von 15 Jahren rund 10 000 Millionäre das Land verlassen. Der damalige französische Premierminister sprach von einer „Verarmung“ des Landes. Als Konsequenz wird die Vermögensteuer dort seit 2018 nur noch auf große Vermögen erhoben.

Gegen die Vermögensteuer sprechen aber nicht nur praktische, sondern auch theoretische Gründe. Eine große Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hat 2017 die fiskalischen Auswirkungen verschiedener Varianten der Vermögensteuer in Deutschland abgeschätzt. Die Ergebnisse waren eindeutig: Vermögensteuern würden Beschäftigung, Produktion, Konsum und damit das Bruttoinlandsprodukt senken. Das Aufkommen der Einkommen- und Umsatzsteuer, aber auch anderer Steuern, würde langfristig stark sinken. Trotz Mehreinnahmen aus der Vermögensteuer käme es per Saldo zu Steuermindereinnahmen zwischen 24 und 31 Milliarden Euro jährlich. Kurzum: Eine Vermögensteuer mag zwar gut gemeint sein, ein gesamtgesellschaftliches Minusgeschäft kann aber niemand wollen.

MATTHIAS WARNEKE ist Leiter des Deutschen Steuerzahlerinstituts des Bundes der Steuerzahler.


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