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Torsten Schmidt und Florian Blank Magazin Mitbestimmung

: Brauchen wir bald die Rente ab 69?

Ausgabe 03/2021

Ja.

Durch den demografischen Wandel wird das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen. Dadurch werden die Einnahmen der öffentlichen Haushalte und der Sozialversicherungen weniger stark steigen als die Ausgaben.

Um die Finanzierung der Sozialversicherungen langfristig sicherzustellen, ohne das Niveau der Renten- und Gesundheitsleistungen deutlich abzusenken, muss der Rückgang der Einnahmen begrenzt werden. In ihrem Frühjahrsgutachten haben die an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligten Institute die Effekte von zwei Maßnahmen analysiert, die in diesem Zusammenhang oft genannt werden: die Erhöhung der Zuwanderung und die Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Durch Zuwanderung allein lässt sich der demografische Wandel aber nur bedingt ausgleichen: Denn selbst wenn deutlich mehr Menschen nach Deutschland kommen als in den vergangenen Jahren, sind die Wachstumseffekte relativ gering. Eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre ist deshalb die effektivere Maßnahme.

Dies erscheint zumutbar, da glücklicherweise immer mehr Menschen ein hohes Lebensalter erreichen. Viele von ihnen können – und wollen häufig – länger arbeiten als vorige Generationen. Das Renteneintrittsalter sollte jedoch so ausgestaltet werden, dass insbesondere die unterschiedliche körperliche Belastung in den einzelnen Berufen berücksichtigt wird.


Torsten Schmidt leitet den Kompetenzbereich „Wachstum, Konjunktur, Öffentliche Finanzen“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.

Nein.

Es gibt keine politische Notwendigkeit, das Rentenalter pauschal anzuheben. Nicht auf 69 und nicht auf 70 Jahre. Und schon gar nicht per Automatismus. Noch ist nicht einmal die Rente mit 67 vollständig umgesetzt.

Die Forderung nach einem späteren Renteneintritt wird immer wieder erhoben, da wegen der steigenden Lebenserwartung länger Renten gezahlt werden und bald geburtenstarke Jahrgänge den Ruhestand erreichen. Für die Finanzierung der Renten ist aber wichtig, wie viele Beitragszahler den Rentnern gegenüberstehen. Das kann die Politik beeinflussen.

Die Stichworte sind Erwerbstätigenversicherung – also der Einbezug weiterer Erwerbstätiger in die Rentenversicherung – und Erwerbsbeteiligung, gefördert etwa durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Kosten der Alterung werden dann von mehr Personen geschultert.

Vor allem aber gehört die Frage nicht nur in die Sphäre der Wissenschaft. Die Entscheidung, welcher Beitragssatz für eine gute Rente tragbar ist, welche Kosten ein gutes Alterssicherungssystem verursachen darf, ist nicht wissenschaftlich zu klären. Sie muss Gegenstand demokratischer Politik bleiben und ist das Ergebnis gesellschaftlicher Diskussionen und Auseinandersetzungen. Mit geringen Beitragssätzen sind niedrigere Leistungen oder ein längeres Arbeitsleben verbunden – und das trifft vor allem die Jüngeren.


Florian Blank leitet das Referat Sozialpolitik im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

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