Quelle: HBS
Magazin Mitbestimmung: dazu Interview mit BASF-Aufsichtsrätin Denise Schellemans 'Unsere Arbeitsplätze sind genauso viel wert'
CHEMIEKONZERN BASF SE Mit Denise Schellemans ist eine Belgierin in den Aufsichtsrat der BASF SE eingezogen - ein Schritt zur Internationalisierung der Arbeitnehmerseite.
Mit Denise ScheIlemans sprach Cornelia Girndt bei der SE-Arbeitnehmerkonferenz von Hans-Böckler-Stiftung und Europäischem Gewerkschaftsinstitut am 3. Juni 2008 in Frankfurt/Main./Foto: Wolfgang Roloff
Denise Schellemans, was ist für Sie neu, seitdem Sie nun Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat der BASF SE sind? Wie war etwa die Hauptversammlung?
Das war ein spannendes Ereignis für mich, insbesondere wegen der Nachfragen einiger Aktionäre zur Erhöhung der Vorstandsgehälter um 25 Prozent. Im Prinzip habe ich damit kein Problem, solange die Manager ihre Arbeit gut machen und uns Arbeitnehmern eine sichere Perspektive bieten. Allerdings finde ich erfreulich, dass sich generell eine öffentliche Debatte entwickelt hat über Leistung und Vergütung von Managern. Mich persönlich interessiert Geld allerdings nicht so.
Was interessiert Sie? Wofür wollen Sie sich einsetzen?
Ich möchte dazu beitragen, einem europäischen Unternehmen wie der BASF eine soziale Stimme zu geben. Ich weiß, dass die Wettbewerbsbedingungen für das Unternehmen hart sind. Aber wir müssen vermeiden, dass Arbeitnehmer verschiedener Standorte gegeneinander stehen, wenn es zu Einschnitten durch Unternehmensentscheidungen kommt. Wir als europäische Arbeitnehmervertreter müssen sicherstellen, dass die BASF in solchen Fällen soziale Verantwortung übernimmt, etwa durch europaweite Angebote zur individuellen Weiterqualifizierung oder durch gute Beschäftigungsklauseln beim Verkauf von Betrieben.
Hilft da die Verbindung von SE-Aufsichtsrat und Europa-Betriebsrat?
Ja, wir können Unternehmensentscheidungen in Zweifel ziehen, wenn sie uns von der Arbeitnehmerseite nicht plausibel erscheinen. Wir haben ja durch unsere enge Einbindung einen guten Überblick über die Entwicklung des Unternehmens und seine Zukunftspläne. Wir können deshalb auch unsere Vorbehalte besonders gut begründen.
Wie ist eigentlich die Sicht der belgischen Kollegen auf die Konzernzentrale in Ludwigshafen?
Bei jeder Unternehmensentscheidung, die meine belgischen Kollegen betrifft, müssen wir herausarbeiten, dass Arbeitsplätze hier genauso viel wert sind wie in Ludwigshafen am Stammsitz des Unternehmens. Ich möchte Vorstand und Aufsichtsrat klar machen, wie sensibel diese Frage ist und wie wichtig es ist, Unternehmensentscheidungen transparent zu machen und klar zu kommunizieren, in Belgien genauso wie in anderen Ländern.
In Deutschland hat die BASF den Ruf, ein vergleichsweise sozialer Arbeitgeber zu sein. Kann man das in Belgien auch sagen?
Das Management hat sich in der Präambel zu unserer "Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der BASF SE" eindeutig zur europäischen Sozialpartnerschaft bekannt. Unsere Stimme zählt für das Unternehmen. Das gehört zur Führungsphilosophie der BASF, die sich als europäisches Unternehmen im globalen Wettbewerb versteht. Aus den bisherigen Erfahrungen in Belgien kann ich sagen, dass der Ruf berechtigt ist, ein besserer Arbeitgeber als manch anderer zu sein. Wir erwarten von der SE-Leitung, dass sie sich diesen Ruf nun auch im europäischen Maßstab erwirbt. Da hat das Lernen erst begonnen.
Denise, Sie waren auch im Besonderen Verhandlungsgremium, das die Arbeitnehmerbeteiligung verhandelt hat. Das Unternehmen BASF wollte unbedingt einen Zwölfer-Aufsichtsrat, die Arbeitnehmer wollten mehr Sitze.
Auch wir Nicht-Deutschen waren für das größere Gremium mit 18 Sitzen im Aufsichtsrat, in der Hoffnung, dass mehr als ein nicht-deutscher Arbeitnehmervertreter im SE-Aufsichtsrat den europäischen Gedanken der Mitbestimmung repräsentieren könnte. Aber hier hat uns das Unternehmen klar die Grenzen seiner Bereitschaft gezeigt, mehr europäische Mitbestimmung zu wagen. Leider! Wir werden von Arbeitnehmerseite ais das Thema zu geeigneter Zeit wieder auf die Tagesordnung bringen.
Aufsichtsrätin zu sein heißt, mit den Verschwiegenheitspflichten klar zu kommen.
Das ist für mich eine neue Situation: Was kann ich weitergeben, wenn wir im Aufsichtsrat Informationen über Maßnahmen des Unternehmens bekommen, die meine Kollegen in Belgien oder sonst irgendwo in Europa betreffen? Die deutschen Kollegen helfen mir dabei zu verstehen, wo genau die Grenzen der Vertraulichkeit sind. Sicherlich gilt es dabei auch, kulturelle Unterschiede zu überwinden.
Du bist auch stellvertretende Vorsitzende im Europa-Betriebsrat der BASF - macht das Sinn?
Ich habe verstanden, dass es meine Position als Arbeitnehmervertreterin stärkt, wenn ich auch diese Funktion ausübe, weil ich dadurch voll in den Informationsfluss einbezogen bin. Ich brauche die Kontakte zu den europäischen Standorten und Kollegen, um meine Position im Aufsichtsrat zu stärken. Aber ich werde zu Hause in Antwerpen nicht immer verstanden, warum ich diese für belgische Verhältnisse eher ungewöhnliche Konstellation eines doppelten Mandats im SE-Aufsichtsrat und im BASF-Europa-Betriebsrat eingegangen bin.
Werden Sie von Ihren belgischen Gewerkschaftskollegen gefragt, wie es so ist in einer Aufsichtsratssitzung?
Ja, ich werde danach gefragt. Überhaupt muss ich in Antwerpen vieles erläutern, weil wir in Belgien die Mitbestimmung im Aufsichtsrat nicht kennen. Ich sage dann zum Beispiel, dass ich Seite an Seite sitze mit Vertretern der Kapitalseite und mit gewerkschaftlichen Vertretern, die nicht Mitglied des Betriebsrats sind. Das ist nach unserem belgischen Verständnis von Interessenvertretung der Arbeitnehmer nicht leicht zu verstehen.
Fühlen Sie sich bereits eingebunden in das Informations-Netzwerk?
Meine fünf deutschen Kollegen im BASF SE Aufsichtsrat unterstützen mich. Wichtig und nützlich sind dabei die Arbeitnehmervorbesprechungen, bei denen wir mit einem Experten der IG BCE die Unterlagen zur finanziellen Lage der BASF SE durchgehen. Das Analysieren von Bilanzen ist mir aber schon von zu Hause vertraut. Außerdem kann ich ja auch in der Aufsichtsratssitzung nachfragen, da sind wir ganz selbstbewusst.
Wie verhalten sich die Vorstandsmitglieder Ihnen gegenüber?
Im Spaß: Die merken, dass ich nicht beiße. Ein gutes Verständnis füreinander ist hilfreich für eine gute Arbeitsatmosphäre, wenn wir im BASF-Europa-Betriebsrat miteinander diskutieren und verhandeln.
Michael Vassiliadis, der gewerkschaftliches Mitglied im SE Aufsichtsrat ist, hat unserem Magazin gesagt, dass er große Hoffnungen in den neuen Europa-Betriebsrat setzt, um "die Mitbestimmung an jeden Standort in Europa zu bringen". Spüren Sie da eine Veränderung?
In unserer SE-Vereinbarung haben wir festgeschrieben, dass der BASF-Europa-Betriebsrat vom Management gründlich informiert wird, ehe eine Entscheidung umgesetzt wird. Man berät sich, bis die Dinge zu Ende diskutiert sind und wir von der Arbeitnehmerseite eine Position dazu formuliert haben. Dann wird sich zeigen, ob das Unternehmen bereit ist, diese Arbeitnehmerposition in seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Wir haben also schon einen guten Schritt zu mehr Mitbestimmung durch unser europäisches Vertretungsgremium gemacht. Auch das Management der BASF wird sich daran erst gewöhnen müssen, dass solche intensiven und ergebnisorientierten Beratungsprozesse mit der Arbeitnehmerseite in Zukunft mehr und mehr europäisch laufen werden.
Woher nehmen Sie die Informationen darüber, wie Mitbestimmung in Deutschland funktioniert?
Wir wurden während der SE-Verhandlungen sehr gut von den Gewerkschaften unterstützt - etwa durch das Europäische Gewerkschaftsinstitut, das EGI, und die Europäische Förderation der Bergbau-, Chemie- und Energiearbeiter (EMCEF). Außerdem ist Michael Vassiliadis - er ist Vorstandsmitglied der IG BCE und BASF-Aufsichtsrat nach Antwerpen gekommen. Michael hat hier vor Ort in unserem Betriebsrat, der sich als gewerkschaftliches Organ versteht, erklärt, wie Mitbestimmung funktioniert und welchen Vorteil die deutschen Gewerkschafter darin sehen. Das hat uns geholfen, zu verstehen, wie es in Deutschland läuft. Bei uns vertreten ja drei Gewerkschaftsbünde, die Christen, die Sozialisten und die Liberalen, die Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb. Wir sind ein Land mit stolzer und starker Gewerkschaftstradition, aber eben ohne Mitbestimmungserfahrung.
Vor allem was die Mitbestimmung im Aufsichtsrat betrifft.
Mir ist klar geworden, dass wir im SE-Aufsichtsrat die Geschäfte des Vorstands überwachen sollen und wir uns hier an der Strategie des Unternehmens beteiligen können. Ich sehe den größten Vorteil darin, dass die Stimme der europäischen Arbeitnehmer gehört werden muss, etwa wenn es um globale Geschäftsentscheidungen der BASF SE geht. Wir wollen klar machen, dass die Belegschaften in Europa nicht als Konkurrenten gegeneinander auftreten.
Die Tätigkeit in einem Aufsichtsrat nach deutschem Vorbild wird mit Tantiemen vergütet. Die Arbeitnehmervertreter in Deutschland geben sie an die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung weiter. Was halten Sie für sinnvoll?
Ich begrüße, dass die Gewerkschaften auf europäischer Ebene nach einer ähnlichen Lösung suchen. Sie wollen ein Abkommen abschließen, diese Tantiemen einer Einrichtung des Europäischen Gewerkschaftsbundes zufließen zu lassen. Daraus soll unsere Arbeit durch Weiterbildung oder andere Projekte unterstützt werden.
Ich verstehe meine Aufsichtsratstätigkeit als "europäisches Mandat". Deshalb freue ich mich sehr, dass meine belgische Gewerkschaft ACV eine solche europäische Lösung unterstützt.
Zur Person
Denise Schellemans, 47 Jahre, von Beruf medizinische Laborantin, ist seit 1994 im belgischen BASF-Werk Antwerpen, wo 3500 Beschäftigte arbeiten, als betriebliche Betreuerin freigestellt. Denise Schellemans, die sehr gut deutsch spricht, ist daneben seit 1999 aktiv im Euro-Dialog der BASF und heute stellvertretende Vorsitzende im so genannten Europa-Betriebsrat der SE. Im Werk Anwerpen vertritt sie im Unternehmensrat die Angestellten im christlichen Gewerkschaftsbund ACV. Dieser hat die Mehrheit vor dem sozialistischen und dem liberalen Gewerkschaftsbund. In Belgien kommen im Unternehmensrat die Gewerkschaftsvertreter mit den außertariflichen Mitarbeitern und der Geschäftsführung (paritätische Zusammensetzung) zusammen; gemeinsam mit dem Ausschuss für Sicherheit und den Vertrauensleuten machen sie die betrieblichen Tarifverhandlungen im Werk.