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Magazin Mitbestimmung

Recht: Ausländische Rechtsnormen und Compliance

Ausgabe 05/2013

Gesetze in den USA und in Großbritannien haben die Compliance-Debatte befeuert. Hierbei kommt es immer wieder zu Drucksituationen für Arbeitnehmervertreter. Von Lasse Pütz, Unternehmensrechtler und Leiter eines Referats Wirtschaftsrecht in der Hans-Böckler-Stiftung

Als Ursprungsland der Compliance gelten allgemein die USA. Seit Langem berücksichtigen dort Gerichte und Behörden Compliance-Management-Systeme (CMS) bei Sanktionierungen strafmildernd oder fordern die Einführung solcher Systeme. Die verhängten Unternehmensstrafen richten sich meist nach den US Sentencing Guidelines – Vorschriften, die erläutern, wie ein Unternehmen ein effektives CMS einzurichten hat. Im juristischen Sinne geht es bei Compliance um eine Risikominimierung im Unternehmen, um die richtigen und effektiven Werkzeuge von Unternehmensführung und um effiziente Verfahren und Systeme (Hexel/Pütz 2012). Das rechtmäßige und richtlinienkonforme Verhalten soll durch Compliance-Management-System sichergestellt werden. In den USA reichen die Anfänge von Compliance mehr oder weniger zurück bis ins Jahr 1977, als dort der Foreign Corrupt Practices Act erlassen wurde – ein Gesetz, das die Bestechung ausländischer Amtsträger sanktionierte. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Hunderte von US-Unternehmen ausländische Amtsträger bestochen hatten, um sich Vorteile bei der Auftragsvergabe zu sichern.

INTERNATIONALISIERUNG ALS TREIBER

„Ausländische Gesetze verpflichten uns, ein Compliance-Management-System einzuführen.“ Dieser oder ein ähnlicher Satz der Geschäftsleitung oder des Unternehmensjuristen ist oft der erste Kontakt des Aufsichts- oder des Betriebsrates mit der Compliance-Thematik. Danach führen die Unternehmen Compliance-Richtlinien oder einen sog. „Code of Conduct“ ein und bauen ein Compliance-System auf. Oft werden die Mitbestimmungsgremien lediglich informiert. Beteiligt werden sie nicht oder nicht ausreichend – mit dem Verweis, dass die Maßnahmen aufgrund der ausländischen Bestimmungen ohnehin zwingend seien. Viele Betriebs- und Aufsichtsräte fühlen sich als Getriebene einer internationalen Entwicklung. Die Debatte ist, auch wenn die Rechtmäßigkeit unternehmerischen Handelns schon vorher unter dem Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“ ein Thema war, erst gut zehn Jahre alt. Im Jahr 2002 wurde der Begriff Compliance hierzulande schlagartig bekannt, als aufgrund von Bilanzskandalen in den USA der Sarbanes Oxley Act erlassen wurde. Das Gesetz bestimmt, dass inländische und ausländische Unternehmen, die an einer US-Börse gehandelt werden, bzw. deren Töchter ein wirksames internes Kontrollsystem für ihre Rechnungslegung einführen müssen. Davon waren auch deutsche Firmen betroffen. Das neue Gesetz sowie der Foreign Corrupt Practices Act, der die Bestechung von ausländischen Amtsträgern sanktioniert, sind ein wesentlicher Treiber der Compliance auch in Deutschland.

Den neuerlichen Höhepunkt erreichte die Diskussion um Compliance, als 2011 in Großbritannien der UK Bribery Act in Kraft trat. Ähnlich wie mit dem amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act soll hierdurch die Korruption international bekämpft werden. Der Anwendungsbereich des britischen Gesetzes ist allerdings größer: Es wird nicht nur die Bestechung von Amtsträgern bestraft, sondern jede Form der Bestechung. Auch gilt das Gesetz für alle natürlichen und juristischen Personen, die geschäftlich in Großbritannien aktiv sind. Die einzige mögliche Maßnahme eines Unternehmens, einer Bestrafung im Falle einer (versuchten) Bestechung zu entgehen, ist, ein adäquates CMS vorzuweisen. Wann ein CMS adäquat ist, wird vom britischen Justizministerium in einer Ausführungsrichtlinie erläutert, die mit den US Sentencing Guidelines vergleichbar ist.

DIE RECHTE DER ARBEITNEHMER

Allein wegen dieser Gesetze, die über nationale Grenzen hinausgehen, ist Compliance auch für europäische Firmen relevant. Arbeitnehmervertreter im Betriebs- und Aufsichtsrat müssen sich den Herausforderungen eines CMS, das auch ausländische Rechtsvorschriften berücksichtigt, stellen. Verschwiegen werden sollte an dieser Stelle aber nicht, dass auch nationale Rahmenbedingungen immer öfter ein CMS erfordern.

Einige Firmen versuchen leider, ihre Arbeitnehmer zu verpflichten, eine Erklärung abzugeben, dass sie sich an die Compliance-Richtlinie (bzw. an ihren Code of Conduct oder Verhaltenskodex) halten. Sie sollen unterschreiben, dass sie die Richtlinien verstanden haben und den Inhalt als verbindlich anerkennen. Jedenfalls bei umfangreichen Richtlinien, die gegebenenfalls noch in englischer Sprache verfasst sind und auf ausländische Rechtsvorschriften verweisen, sollte sich der jeweilige Arbeitnehmer gut überlegen, ob er eine solche Erklärung unterschreibt. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht. Auch wird in der Praxis den Arbeitnehmervertretern ein bestehendes Mitbestimmungsrecht mit dem Verweis auf eine ausländische Rechtsvorschrift, denen die deutschen Mitbestimmungsmechanismen unbekannt sind, oftmals nicht zuerkannt.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist an dieser Stelle eindeutig. Ausländische Vorschriften, die die Pflicht zur Einführung eines CMS beinhalten, schließen keine Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz aus. Aber nicht nur wegen der Rechtsprechung des BAG sollten Unternehmen ausländische Rechtsvorschriften nicht ungeprüft übernehmen. Eine gute und funktionierende Compliance baut immer auch auf Transparenz, Vertrauen, Verantwortung, Zielen und Kontrollen auf. Ein CMS wird aber gerade deswegen nur erfolgreich sein, wenn eine offene, transparente und über die gesetzlichen Mitsprache- und Beteiligungsrechte hinausgehende Kultur geschaffen wird und eben alle Handelnden miteinbezogen werden. Dies gilt auch bei Vorgaben von ausländischen Staaten, Konzernmüttern oder Kunden. Was viele Unternehmen vergessen: Gerade die Aufsichts- und Betriebsräte sind eine wertvolle Unterstützung bei der Einführung und Anwendung eines CMS (Hexel/Pütz 2012). Eine Unternehmensleitung, die diese in die Ecke treibt, wird kaum zu einem wirksamen und effektiven CMS finden.

Mehr Informationen

Lasse Pütz/Manuela Maschke: Compliance – ein Thema für Betriebs- und Aufsichtsräte. Edition der Hans-Böckler-Stiftung 276. Düsseldorf 2012

Praxisblätter der Hans-Böckler-Stiftung für Aufsichtsräte und Betriebsräte

Foreign Corrupt Practices Act (in deutscher Sprache)

Dietmar Hexel/Lasse Pütz: Compliance aus gewerkschaftlicher Sicht. Audit Committee Quarterly II/2012, S. 40–43.

Lasse Pütz: Arbeitshilfe für Aufsichtsräte Nr. 15, COMPLIANCE. Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Düsseldorf 2011. http://bit.ly/10hWMVa

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