Quelle: HBS
Magazin MitbestimmungSüdafrika: Arm trotz Reichtum
Nirgends auf der Welt gibt es so viel Platin wie in Südafrika. Doch die Minenarbeiter haben nicht nur nichts von dem Rohstoff-Reichtum: Ihre Arbeit macht sie auch noch krank. Jetzt kämpfen sie für ihre Rechte. Von Annette Jensen
Südafrika ist das Land mit den größten Platinvorkommen weltweit: Schätzungsweise 80 Prozent der weltweiten Vorräte lagern hier. Das Edelmetall wird für Auto-Katalysatoren und Edelschmuck verwendet. Und auch beim billigeren Palladium, das oft als Ersatzstoff eingesetzt wird, ist Südafrika hinter Russland führend. Zwar ist der Platinpreis in letzter Zeit gefallen. Doch kein südafrikanischer Bergarbeiter verdient so viel, dass er sich die daraus hergestellten Produkte je leisten kann: Umgerechnet 300 und 400 Euro im Monat bekommt ein Hauer für seine extrem anstrengende und gefährliche Arbeit in den engen Stollen, in denen keine großen Maschinen eingesetzt werden können. Viele südafrikanische Kumpel leiden an Staublunge. Viele von ihnen sind Wanderarbeiter und häufig müssen sie zusammengepfercht in Wohnbaracken fern ihrer Familien leben. Zunehmend bereichern sich auch Leiharbeitsunternehmen an ihnen.
Anfang 2012 begannen Tausende Bergarbeiter in den Platinminen zu streiken und verlangten eine Verdoppelung ihres Lohns. Bald schlossen sich Arbeiter aus Gold- und Kohlegruben an, und auch auf die Obstplantagen schwappte die Streikwelle über. Im Sommer eskalierte die Gewalt, als Polizei und Security gegen die Streikenden vorgingen: Etwa 50 Menschen starben, Hunderte wurden bei dem Massaker in der Platinmine Marikana verletzt.
Die Situation wurde dadurch noch komplizierter, dass sich viele Bergleute nicht von der Gewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) vertreten fühlen, die auf Verhandlungen setzt. Die NUM ist die größte Gewerkschaft unter dem Dachverband Cosatu, der dem ANC extrem nahe steht. Vergeblich hatte die NUM Anfang 2012 versucht, einen wilden, sechswöchigen Streik in einer anderen Platinmine zu beenden. Die Streikenden werfen der Gewerkschaft Kungelei mit den Arbeitgebern vor; tatsächlich ist beispielsweise ein früherer NUM-Generalsekretär an der Marikana-Mine beteiligt. Ein Großteil der Minenarbeiter hat sich inzwischen bei der Gewerkschaft AMCU organisiert, die sich 1998 von der NUM abgespalten hatte und als regierungskritisch gilt. Die NUM wirft den Streikenden vor, mehrere bei ihr organisierte Gewerkschafter ermordet zu haben. Umgekehrt erhebt die AMCU ähnliche Vorwürfe.
Wochenlang stand die Arbeit in den Bergwerken still, der wirtschaftliche Schaden wird auf 1,1 Milliarden Dollar geschätzt. Die Ratingagenturen warfen der südafrikanischen Regierung Führungsschwäche vor: Die extreme Ungleichheit im Land führe zu Unruhen und Instabilität - und das schade der Ökonomie. Deshalb werteten sie die Bonität von Staatsanleihen ab. Der Export brach im vergangenen Jahr sowohl wegen der Streiks als auch wegen der Krise in vielen Abnehmerländern ein. Der Rand verlor gegenüber dem Euro innerhalb eines Jahres etwa 15 Prozent an Wert.
Derweil sind die Streiks in den Wein- und Obstplantagen beendet, nachdem die Regierung den Mindestlohn in dieser Branche Anfang Februar 2013 um 50 Prozent auf umgerechnet 8,80 am Tag erhöht hat. Dagegen sind die Konflikte im Bergbausektor nach wie vor ungelöst. Im Januar kündigte der weltweit größte Platinförderer Anglo Platinum an, einige Bergwerke vorübergehend stillzulegen, eine Mine zu verkaufen und 14.000 Bergarbeiter und damit ein Viertel der Belegschaft zu entlassen. Nur so sei die Profitabilität wieder herzustellen, meinte das Management des Unternehmens, das mehrheitlich dem britischen Bergbauunternehmen Anglo American gehört. Nach Protesten räumte die Geschäftsführung ein, die endgültige Entscheidung aufzuschieben, um Zeit für politische Gespräche zu schaffen. Bergbauministerin Susan Shabangu hatte damit gedroht, der Staat könne dem Konzern die Förderlizenz entziehen. Die Reaktion der internationalen Anleger folgte auf dem Fuß: Sie zogen viel Geld aus Südafrika ab und verschärften damit die Krise weiter. Doch nicht alle südafrikanischen Minen sind in der Hand internationaler Investoren. So ist beispielsweise Patrice Motsepe Vorstandsvorsitzender der von ihm gegründeten African Rainbow Minerals und an mehreren anderen Bergbaufirmen beteiligt. Er gilt als erster schwarzer Milliardär weltweit und einer der reichsten Männer Südafrikas.