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Das Bild zeigt Ernesto Klengel Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: „Arbeitsgerichte urteilen über private Aussagen im Netz"

Ausgabe 01/2025

Ernesto Klengel erörtert das Für und Wider arbeitsrechtlicher Konsequenzen als Mittel gegen Hetze.

Wir kennen es aus der Sportgruppe, vom Elternabend und auch vom Arbeitsplatz: Die aufgeregten Debatten in den sozialen Medien springen auf die reale Welt über. Auch die AfD als parteipolitischer Arm der Rechten, die mit Errungenschaften wie Tarifverträgen oder der betrieblichen Mitbestimmung nicht viel am Hut hat, wie eine aktuelle Veröffentlichung des HSI zeigt, mischt kräftig mit.

Doch können private Äußerungen im Netz auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben? Diese Frage wird zumindest immer häufiger vor den Arbeitsgerichten verhandelt. Nicht immer enden die Verfahren mit einem Urteil – so ist über das arbeitsrechtliche Nachspiel der unsäglichen Sylt-Videos nichts bekannt. In einigen Fällen hingegen haben Arbeitsgerichte die Grenzen der Meinungsfreiheit im Arbeitskontext ausgelotet.

Vor dem Arbeitsgericht Köln ging es in erster Instanz um das von Rechtsextremen initiierte „Potsdamer Treffen“, auf dem über massenhafte Abschiebung gesprochen wurde. Eine Verwaltungsangestellte der Stadt Köln, die daran in ihrer Freizeit teilgenommen hatte, wehrte sich gegen ihre fristlose Kündigung. Beim Arbeitsgericht hatte sie damit Erfolg. In manchen Fällen – etwa für bestimmte Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes – kann sich zwar eine sogenannte gesteigerte Treuepflicht ergeben, auch in der Freizeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen. Für die Klägerin galt dies aber aufgrund der von ihr übernommenen Aufgaben nicht.

Mehrere Entscheidungen drehen sich um Hetzbeiträge im Internet. Hier zeigt sich, dass die Digitalisierung einerseits Hemmungen abbaut und Manipulationen erleichtert, gleichzeitig wird Kommunikation aber auch besser dokumentiert als das gesprochene Wort. Wenn ein Beschäftigter außerhalb des Dienstes Hetznachrichten verbreitet, ist dies den Arbeitsgerichten zufolge aber nur relevant, wenn er einen Bezug zum Arbeitgeber herstellt. Dafür genügt es, dass bei einem Social-Media-Post der Arbeitgeber erkennbar gemacht wird, sei es durch das Tragen von Dienstkleidung auf dem Profilbild oder durch eine Erwähnung des Arbeitgebers. Ob der Post dann eine Kündigung rechtfertigt, hängt vom Einzelfall ab.

In geschlossenen WhatsApp-Gruppen führt sogar strafrechtlich relevantes Verhalten nicht zwingend zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen, selbst in Gruppen unter Kolleginnen und Kollegen. Für die Gerichte spielt es etwa eine Rolle, ob die Mitglieder davon ausgehen durften, dass Stillschweigen gewahrt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat aber entschieden, dass es dafür bei Social Media gesonderter Anhaltspunkte bedarf. Es hat unter anderem darauf abgestellt, dass die Mitglieder der Gruppe nicht davon ausgehen konnten, dass krass menschenverachtende Sprüche geheim bleiben, zumal Apps wie WhatsApp gerade darauf angelegt sind, Inhalte zu teilen und weiterzuleiten.

Dieses Beispiel zeigt, dass arbeitsrechtliche Instrumente gegen rechte Hetze durchaus ambivalent sind. Denn natürlich sollten private Chats privat bleiben und vom Arbeitgeber nicht als Kündigungsgrund genutzt werden. Auch können arbeitsrechtliche Konsequenzen gegen Spaltung und Hetze am Arbeitsplatz nur ein Element sein. Mindestens ebenso wichtig ist es, wie Kolleginnen und Kollegen auf unpassende Kommentare reagieren und wie Mitbestimmung im Betrieb gelebt und gestärkt werden. Betriebsräte haben Instrumente, um Integration und Zusammenarbeit zu fördern. Unteilbare Solidarität ist seit jeher der Grundgedanke kollektiver Interessenvertretung


ERNESTO KLENGEL ist Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht.

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