Quelle: Karsten Schöne
Service aktuellKommentar von Sebastian Dullien (IMK): "Es drohen dauerhafte Schäden für die deutsche Wirtschaft"
Die Ausbreitung des Coronavirus versetzt die deutsche Wirtschaft in einen tiefen Schock. Um zu verhindern, dass daraus eine Systemkrise entsteht, braucht es neben schnellen Hilfen Maßnahmen für die Zeit, wenn die akute Gesundheitskrise überwunden ist. Ein Beitrag von IMK-Direktor Sebastian Dullien.
Inzwischen ist es überall in Deutschland angekommen: Der wirtschaftliche Schock durch das Coronavirus wird sehr heftig. Das gilt nicht nur für unser Land, sondern auch für die Nachbarstaaten. Das öffentliche Leben ist vielerorts zum Erliegen gekommen, den Unternehmen brechen ihre Umsätze weg und durch die Grenzschließungen in Europa kommt es zu Produktionsunterbrechungen und Störungen der Lieferketten und sogar ersten Werkschließungen.
Da anders als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 die Wirtschaft in ihrer Breite getroffen wird, dürfte der Einbruch der Wirtschaftsleistung im Frühjahrsquartal in vielen EU-Ländern noch heftiger ausfallen als damals. Die deutsche Wirtschaft ist, wie mein Kollege Peter Bofinger es formuliert hat, zum Teil in ein künstliches Koma versetzt worden. Für die Politik kommt es jetzt darauf an, die Strukturen zu schützen, damit möglichst viel von der ausgefallenen Produktion schnell nach dem Ende der Krise nachgeholt werden kann.
Dabei geht es zunächst darum, Unternehmen am Leben zu halten, denen durch die Umsatzeinbußen ihre Lebensgrundlage entzogen ist, und die deshalb vor der Insolvenz stehen. Die Entscheidung der Bundesregierung, den Zugang zu Kurzarbeit zu erleichtern und den Unternehmen die Sozialabgaben für die Kurzarbeiter zu erstatten, ist richtig und verhindert unnötige Entlassungen. Auch die vorgeschlagenen Liquiditätshilfen über die Förderbank KfW und Steuerstundungen sind erste richtige Maßnahmen, reichen aber längst nicht aus.
Eine wichtige Baustelle sind die kleinen (Solo-)Selbstständigen, für die KfW-Kredite kaum in Frage kommen, vielleicht, weil sie nur ein paar Tausend Euro zur Überbrückung brauchen, weil die Geschäftsbanken kein Interesse haben, diese Kleinkredite für die Unternehmen zu beantragen, oder weil es gar nicht um die Finanzierung von Betriebsmitteln geht, sondern um die Finanzierung des Lebensunterhalts der Selbstständigen. Hier muss die Bundesregierung noch einmal nachlegen und Lösungen finden. Denkbar sind Direktzahlungen oder sehr lange, zinsfreie Kredite, am besten direkt an die Betroffenen ausgezahlt.
Bei einigen Unternehmen sind die Umsätze zudem so stark eingebrochen, dass reine Liquiditätshilfen nicht ausreichen. Hier muss der Staat sehr bald stärker eingreifen. Sinnvoll wären eine Staatsbeteiligung und eine Aufstockung des Eigenkapitals der betroffenen Unternehmen durch Bund und Länder, zumindest bei größeren Kapitalgesellschaften. Wenn sich die Verluste häufen, so ist der Staat zum Teil daran beteiligt. Erholt sich die Wirtschaft nach der Krise, kann er sich dann aber auch einen Teil der eingesetzten Mittel zurückholen.
Darüber hinaus gilt es einen Einbruch der Kaufkraft zu verhindern. Wenn bald massenhaft Beschäftigte in Kurzarbeit oder gar arbeitslos sind, fehlt Ihnen ein wichtiger Teil ihres Einkommens. Die Gefahr ist, dass sich daraus – jenseits des ursprünglichen Coronaschocks – eine gefährliche Abwärtsspirale aus noch weniger Konsum und noch mehr Job- und Einkommensverlusten ergibt. Hier muss überlegt werden, wie die Bezüge von Kurzarbeitern und Arbeitslosengeld schnell aufgestockt werden können, damit die Massenkaufkraft erhalten bleibt.
Zuletzt müsste der Staat klar kommunizieren, dass er nach Aufhebung der Isolationsmaßnahmen alles tun wird, damit die nun nicht umgesetzte Nachfrage nachgeholt wird. Mehr öffentliche Investitionen, aber auch unkonventionelle Maßnahmen wie etwa Konsumschecks oder vorübergehend höheres Kindergeld sollten schon jetzt für den Zeitpunkt nach der akuten Gesundheitskrise angekündigt werden. Ohne solche „Reha-Maßnahmen“ besteht die Gefahr, dass die deutsche Wirtschaft dauerhafte Schäden davonträgt.
Zur Person
Sebastian Dullien ist Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.