Subjektpositionen im politischen Diskurs der digitalen Gesellschaft: Die Netzbewegung
Die Netzbewegung setzt sich ein für Informationsfreiheit, Datenschutz und Netzneutralität, gegen Zensur und Überwachung, kurz: für ein freies Internet. Dabei positionieren sich die Aktivist_innen als Avantgarde der digitalen Gesellschaft. Mit ihrer intersektionalen und hegemonietheoretischen Analyse zeigt die Autorin, wie die Forderungen der Netzbewegung und auch die Akteur_innen selbst gesellschaftlich verortet sind und geht der Frage nach, wie sich soziale Ungleichheit in den politischen Diskurs der digitalen Gesellschaft einschreibt.
Die Netzbewegung hat die Diskussion um Netzpolitik in Deutschland ab 2005 maßgeblich geprägt. Ihre Forderungen beziehen sich auf Netzneutralität, Informationsfreiheit, geistige Eigentumsrechte sowie den Schutz der informationellen Privatsphäre.
Die vorliegende Studie untersucht den politischen Diskurs der Netzbewegung aus einer hegemonietheoretischen und intersektionalen Perspektive. Sie geht der gesellschaftlichen Verortung der Netzbewegung nach und zeigt, welche Rolle soziale Ungleichheit in dieser sozialen Bewegung spielt. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen das Hegemonieprojekt und die Subjektpositionen der Netzbewegung, die die Autorin anhand von Interviews mit Aktivist_innen rekonstruiert und analysiert. Dazu entwickelt sie einen innovativen Ansatz zur Analyse politischer Diskurse: Durch die Verbindung von Hegemonieanalyse und Intersektionalität gelingt es, der Frage auf den Grund zu gehen, wie sich Sexismus, Klassismus, Rassismus und Bodyismus in das politische Projekt einer sozialen Bewegung einschreiben.
Das Hegemonieprojekt der Netzbewegung stützt sich auf die Vorstellung, dass digitale Technologien zu gesellschaftlichem Fortschritt führen, weshalb das `freie Internet` aktuell gegen antagonistische Kräfte verteidigt werden muss. In diesem Konflikt positioniert sich die Netzbewegung als Avantgarde vernetzter Individuen, deren politisches Projekt über den engen netzpolitischen Rahmen hinausreicht: Im Glauben daran, dass sich die Normen und Strukturen des Digitalen auch auf gesellschaftliche Institutionen jenseits des Internets übertragen werden, formuliert die Netzbewegung Ideen zur Gestaltung einer post-digitalen Gesellschaft. Gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse werden dabei entlang von Subjektpositionen wie digitalen Außenseiter_innen, Nerds und Netzfeminist_innen verhandelt. Die Debatte um Post-Privacy zeigt, wie soziale Differenzen für hegemoniale Projekte auf zweiter Ebene mobilisiert werden.
Mit dieser Arbeit liegt eine umfassende Analyse des politischen Diskurses der Netzbewegung vor, die an subjekttheoretische Auseinandersetzungen mit digitaler Kultur anschließt und zugleich einen Beitrag zur politischen Diskursanalyse und zur sozialen Bewegungsforschung leistet.
Quelle
Ganz, Kathrin:
Die Netzbewegung
Subjektpositionen im politischen Diskurs der digitalen Gesellschaft, Toronto, ISBN: 978-3-8474-2139-9,978-3-8474-1129-1 (eBook), 310 Seiten
Dissertation, Technische Universität Hamburg-Harburg, 2017