Auf den Spuren von Maria Weber und Gerd Muhr: Anders links sein
Eine Gewerkschafterin, "erzkatholisch" und eine Christdemokratin zumal, die ihre Herkunft aus dem rauen, echten Ruhrgebiet nie verleugnete, die als Christlich-Soziale moderne Familienpolitik machte lange vor Ursula von der Leyen, für das ganztägige Schulwesen kämpfte und sich um die Gesamtschule und aus anderen Anlässen raufte mit den Granden der CDU/CSU von Helmut Kohl über Kurt Biedenkopf bis zu Franz Josef Strauß. Sie stand an der Spitze der emanzipierten Gewerkschaftsfrauen, verband progressive Ideen und Katholizismus und blieb in bestimmten Angelegenheiten dennoch traditionell: in ihrem Kampf gegen eine Reform des Paragrafen 218 etwa oder in ihrer äußeren Erscheinung - "Trägerrock statt Minirock" respektive in Kostüm mit Brosche unter den jungen Vertreterinnen der Frauenbewegung nach "1968".
Und ein Gewerkschafter, der im Hauptberuf den deutschen Sozialstaat gestaltete und zu verteidigen versuchte, zugleich aber, von vielen unbeobachtet, als Weltdiplomat Karriere machte in den United Nations of Labour, der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf, und zudem die europäische Integration in Brüssel im Hintergrund forcierte. Als Gewerkschaftsdiplomat kämpfte er gegen die europäischen Diktaturen in Griechenland, Portugal oder Spanien, engagierte sich für Lech Walesa und den Befreiungskampf der Solidarnosc, versuchte im Ost-West-Konflikt zu vermitteln und sah sich als Anwalt der sogenannten "Dritten Welt" und Afrikas, wenn er für die Entschuldung eintrat oder gegen die Apartheid in Südafrika zur Unterstützung Nelson Mandelas initiativ wurde.
Beide waren nicht irgendwelche Funktionäre, sondern führende Spitzenkräfte des Deutschen Gewerkschaftsbundes - und doch hat man sie heute schon fast vergessen. Es lohnt sich, sich auf die verwehten Spuren zu begeben, die diese spannenden, vielschichtigen Persönlichkeiten hinterlassen haben, sie näher kennen zu lernen in dem, was sie prägte, was sie als Person ausmachte, wofür sie sich engagierten. Denn es tritt dabei etwas anderes zutage als das, was wir von der tristen Funktionärswelt erwarten - mit hochaktuellen Bezügen zur Tages- und Weltpolitik der Gegenwart. Die Welt der Funktionäre war nicht nur grau, sondern, wenn man genauer hinsieht, durchaus bunt - in diesem Fall vor allem: schwarz-rot.
Quelle
Remeke, Stefan:
Anders links sein
Auf den Spuren von Maria Weber und Gerd Muhr, Essen, ISBN: 978-3-8375-0488-0, 591 Seiten