Quelle: HBS
PodcastsSystemrelevant Podcast: Die langfristige Wirkung der Kindergrundsicherung
Schafft die Kindergrundsicherung bessere Bildung und weniger Kinderarmut? Bettina Kohlrausch und Tom Krebs werfen einen Blick darauf, welche Chancen die Reform bietet und wo die Herausforderungen in der Umsetzung liegen.
[02.08.2024 / Aufnahme: 29.05.2024]
Die neue Kindergrundsicherung soll Kinder besser vor der Armut schützen, indem alle verfügbaren Leistungen zusammengefasst werden und sichergestellt werden soll, dass alle Kinder die Leistungen erhalten, die ihnen zustehen. Das ist aktuell nicht der Fall, da viele Eltern nicht wissen, welche Leistungen es gibt und die Beantragung zudem mit viel Aufwand verbunden ist. Die Idee der Kindergrundsicherung ist daher, die Zugangshürden abzubauen, indem Eltern durch den Familienservice automatisch über die ihnen zustehenden Leistungen informiert werden. Außerdem soll die bestehende Ungerechtigkeit, dass Kinder mehr Geld erhalten, wenn ihre Eltern mehr verdienen, abgeschafft werden.
Über die Chancen und Herausforderungen der Reform sprechen WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch und Tom Krebs, Professor für Makroökonomie an der Universität Mannheim, Senior Fellow am IMK der Hans-Böckler-Stiftung und Mitglied der Mindestlohnkommission, in einer Sommerfolge von Systemrelevant.
Bettina Kohlrausch weist zunächst darauf hin, dass bei der Einführung der Kindergrundsicherung das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern nicht neu berechnet wurde, obwohl dies notwendig wäre, um zu garantieren, dass die Leistungen die Teilhabe und Entwicklung von Kindern gewährleisten können. Irene Becker hat in ihrer Studie vom April 2024 berechnet, welche Beträge für die Kindergrundsicherung angemessen wären - in der Folge 187 von Systemrelevant spricht sie darüber mit Jan Brülle und Bettina Kohlrausch.
In der Tat zeigte sich in Untersuchungen bereits, dass zusätzliche Zahlungen für Kinder zu einer größeren Teilhabe in der Bildung und einem größeren Bildungserfolg führen. Dieser werde sich langfristig auch in einen Arbeitserfolg umwandeln und so die Erwerbstätigkeit ausweisen, so Tom Krebs.
Bettina Kohlrausch betont die negativen Bildungseffekte, die Armut mit sich bringt, da Kinder ihr Potenzial nicht entfalten können und Armut für Kinder großen Stress bedeutet, der sich in einem geringeren Bildungserfolg niederschlägt. Wird die Kindergrundsicherung erfolgreich umgesetzt, könnte sie 440.000 Kinder aus der Armut holen und damit die Chancengerechtigkeit stärken. Bettina Kohlrausch hebt die Wichtigkeit der Investitionen in die Kindergrundsicherung hervor:
Das nutzt den Menschen, aber das nutzt eben auch der Gesellschaft und es rechnet sich sogar volkswirtschaftlich. Das heißt, es ist auch gerade in Zeiten von Fachkräftemangel völlig absurd, jetzt an dieser Generation zu sparen.
Es gibt allerdings - neben den notwendigen Investitionskosten - auch einige Hürden für die Umsetzung der Kindergrundsicherung, denn der Familienservice zusätzliches Personal in Anspruch nehmen, um proaktiv auf Familien zugehen zu können, die für zusätzliche Zahlungen berechtigt sein könnten. Dabei wird auch die Umsetzung des Datenschutzes eine Herausforderung darstellen.
Trotz des Verwaltungsaufwands betont Bettina Kohlrausch, dass man das Ziel dabei nicht aus den Auge verlieren darf: Dass alle die Leistungen, die ihnen zustehen, erhalten und damit die große Ungerechtigkeit im aktuellen System überwunden wird.
Moderation: Marco Herack
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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