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WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2022

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Im Jahr 2022 sind mit 34 Prozent ein Drittel aller Aufsichtsratssitze in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen weiblich besetzt, 66 Prozent sind männlich besetzt (vgl. Grafik 2).

Der Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten hat sich dabei innerhalb des Beobachtungszeitraums 2008 bis 2022 mehr als verdreifacht: Er stieg von 9 Prozent (2008) auf aktuell 34 Prozent (2022). Dennoch stellen Frauen auch mit einem Drittel aller Sitze weiterhin nur eine Minderheit in den Aufsichtsratsgremien. Die Gesamtzahl aller weiblichen Aufsichtsratsmitglieder in den 160 Unternehmen stieg dabei innerhalb des Beobachtungszeitraums von 159 auf 593 Frauen, bei 1.736 Sitzen insgesamt im Jahr 2022 (vgl. Tab. 01.1b).

Deutliche Unterschiede innerhalb des Beobachtungszeitraums zeigen sich insbesondere zwischen mitbestimmten und nicht-mitbestimmten Unternehmen, d.h. danach, ob die Aufsichtsräte dieser Unternehmen auch aus Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen zusammengesetzt sind oder nur aus Vertreter*innen der Anteilseigner*innen (Grafik 1). Bis 2014 fiel der Frauenanteil in Aufsichtsräten mitbestimmter Unternehmen stets mindestens doppelt so hoch aus wie in nicht-mitbestimmten Unternehmen. Erst seit 2015 holen die nicht-mitbestimmten Unternehmen etwas auf. Im Jahr 2022 beträgt der Vorsprung mitbestimmter Unternehmen (36 Prozent) gegenüber nicht-mitbestimmten Unternehmen (26 Prozent) jedoch immer noch 10 Prozentpunkte. Ursache dafür ist, dass auf Arbeitnehmer*innen-Seite anteilig mehr Frauen in die Aufsichtsräte entsandt werden als auf Anteilseigner*innen-Seite. (1)

Unterschiedliche Frauenanteile ergeben sich auch je nach Börsenindex der Unternehmen, also danach, ob die Unternehmen in den Bereich des DAX40 (bis September 2021: DAX30), des MDAX oder des SDAX fallen (vgl. Grafik 2):

  • Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DAX40-Unternehmen (35 Prozent) fällt in allen Jahren erkennbar höher aus als in MDAX- oder SDAX-Unternehmen. Allerdings ist dieser Vorsprung spätestens seit 2019 deutlich zurückgegangen.
  • Bereits seit 2017 haben MDAX-Unternehmen ihren Rückstand bei den weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber den DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen abbauen können. Aktuell beträgt der Rückstand der MDAX-Unternehmen (34 Prozent) gegenüber den DAX40-Unternehmen (36 Prozent) nur noch zwei Prozentpunkte; der Rückstand der SDAX-Unternehmen (32 Prozent) gegenüber den DAX40-Unternehmen noch vier Prozentpunkte.

Einfluss auf die Höhe des Frauenanteils in den Aufsichtsratsgremien nimmt – auch innerhalb der jeweiligen Börsenindizes – zusätzlich die Form der Unternehmensmitbestimmung (vgl. Grafik 3):

  • Auffallend ist, dass sich der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in allen mitbestimmten Unternehmen – egal ob DAX40, MDAX oder SDAX – ähnlich darstellt. Er beträgt zwischen 35 und 38 Prozent.
  • Deutlich abweichend ist die Situation in den nicht-mitbestimmten Unternehmen: Hier fällt der Frauenanteil jeweils zwischen fünf und zwölf Prozentpunkten niedriger aus als in mitbestimmten Unternehmen: er beträgt 24 Prozent (SDAX), 28 Prozent (DAX40) oder 30 Prozent (MDAX).

Hintergrund: Bei 30 der insgesamt 40 Unternehmen des DAX40 handelt es sich zum Jahresende 2022 um paritätisch mitbestimmte Unternehmen, bei zwei weiteren um Unternehmen mit Drittel-Beteiligung. Der DAX40 weist mit 32 von 40 Unternehmen einen besonders großen Anteil an mitbestimmten Unternehmen auf.

Für alle börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen gilt seit 2016 eine gesetzliche Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent im Aufsichtsrat (vgl. Glossar) – was sich bereits seit 2015/2016 förderlich auf den Frauenanteil in den Aufsichtsräten von DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen auswirkt. Die Geschlechterquote gilt genauso auch für alle anderen börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen, also auch für solche im MDAX und SDAX. Allerdings ist der Kreis paritätisch-mitbestimmter Unternehmen im MDAX (24 von 50 Unternehmen) bzw. im SDAX (26 von 70 Unternehmen) Ende 2022 deutlich kleiner. Insgesamt gilt die gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterquote Ende 2022 für 80 paritätisch-mitbestimmte Unternehmen unter allen hier betrachteten 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland.

Für die anderen 80 Unternehmen, die nicht paritätisch-mitbestimmt sind (Ende 2022: 64 nicht-mitbestimmte Unternehmen sowie 16 Unternehmen mit Drittel-Beteiligung) gilt die gesetzliche Geschlechterquote so nicht. Auch sie sind aber, wie alle börsennotierten Unternehmen, verpflichtet, sich selbst verbindliche Zielgrößen für die nächsten Jahre zu setzen und diese zu veröffentlichen, zu Gunsten einer Erhöhung ihrer Frauenanteile in Aufsichtsrat, Vorstand sowie den zwei höchsten betrieblichen Führungsebenen unterhalb des Vorstands.

Seit den – mit der Verabschiedung der gesetzlichen Geschlechterquote angestoßenen – großen Schritten bis zum Erreichen der Marge eines durchschnittlichen 30-Prozent-Anteils von Frauen in den Aufsichtsräten der 160 größten börsennotierten Unternehmen im Jahr 2018 stagniert die Entwicklung des Frauenanteils in deutschen Aufsichtsräten seitdem jedoch wieder deutlich. Dabei wäre eine größere Geschlechterdiversität in Aufsichtsräten dringend erstrebenswert, denn sie kann u.a. dazu beitragen, die Qualität von Interaktion, Diskussionskultur und Entscheidungsfindung im Gremium zu verbessern. (2) Vorschläge und Entscheidungen des Vorstandes werden in Aufsichtsratsgremien mit weiblichen Mitgliedern intensiver hinterfragt: „Durch besonders »beharrliches« und »investigatives Nachfragen« zwingen weibliche Aufsichtsratsmitglieder den Vorstand dazu, »sorgfältig zu arbeiten« und seine Entscheidungen »gut zu begründen«“, so belegen Erfahrungsberichte von dazu befragten Aufsichtsratsmitgliedern. (3)

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.


Bearbeitung: Svenja Pfahl, Maike Wittmann


Literatur
 

Allbright Stiftung gGmbH (2022): Kampf um die besten Köpfe. Die Konkurrenz um Vorständinnen nimmt zu, Bericht September 2022, Berlin, letzter Zugriff 25.09.2023.

Allbright Stiftung gGmbH (2021): Aufbruch oder Alibi? Viele Börsenvorstände erstmals mit einer Frau, Bericht September 2021, Berlin, letzter Zugriff 25.09.2023.

BMAS (2021): Mitbestimmung – Eine gute Sache. Alles über die Mitbestimmung und ihre rechtlichen Grundlagen, Bonn, letzter Zugriff 25.09.2023.

DGB Bundesvorstand (2015): Offensive Mitbestimmung. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mitbestimmung, Reihe: diskurs, Berlin, letzter Zugriff 25.09.2023.

Frankfurter Börse (o. J.): Börsenlexikon, www.boerse-frankfurt.de/wissen/dictionary, letzter Zugriff 25.09.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Ressourcen & Tools für den Aufsichtsrat, letzter Zugriff 25.09.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Wissen kompakt. Häufige Fragen: Geschlechterquote, letzter Zugriff 25.09.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2018): Mehr Quote wagen. In: Böckler Impuls, 04/2018, S.1, letzter Zugriff: 25.09.2023.

Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2023): Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2023, S.22-33, letzter Zugriff 25.09.2023

Kirsch, Anja/Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.36-42, letzter Zugriff 25.09.2023.

Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der Anteilseigner*- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2022. In: WSI GenderDatenPortal.

Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2022. In: WSI GenderDatenPortal.

Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Report Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 25.09.2023.

Weckes, Marion (2015): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, Report Nr. 10, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 25.09.2023.

Weckes, Marion (2011): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten in den 160 börsennotierten Unternehmen (Dax-30, M-Dax, S-Dax, Tec-Dax) zum 31. Januar 2011, Arbeitspapier, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf.

Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.43, letzter Zugriff 25.09.2023.

 


(1) Vgl. Pfahl, Svenja/Wittmann, Maike (2023): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der Anteilseigner*- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2022. In: WSI GenderDatenPortal.

(2) Vgl. Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, Seite 43.

(3) Vgl. Kirsch, Anja/Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, Seite 40.

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