Quelle: HBS
PodcastsSystemrelevant Podcast: Der liebe Haushalt...
Die Ampelregierung hat sich auf die Grundzüge des Bundeshaushalts für 2025 geeinigt. WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch und IMK-Direktor Sebastian Dullien werfen einen Blick auf die Pläne zum Bürgergeld und zum Arbeitskräftemangel.
[24.07.2024]
Das Bundeskabinett hat am 17. Juli 2024 den Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2025 beschlossen. Bei dem Kompromiss kann man zwar nicht von einem Wachstumshaushalt sprechen, aber auch nicht von dem zeitweise befürchteten wachstumsschädigenden Sparhaushalt, so IMK-Direktor Sebastian Dullien. Trotzdem werden bei der Haushaltseinigung große Probleme wie die Schuldenbremse nicht angegangen und von den von IMK und IW berechneten notwendigen 600 Milliarden an Investitionen in die Zukunft Deutschlands wird praktisch nichts umgesetzt.
Bettina Kohlrausch, Direktorin des WSI, kritisiert die Debatte rund um das Bürgergeld und die geplanten Sanktionsverschärfungen. Das Bürgergeld sei schon zuvor nicht armutsfest gewesen und hält Menschen - so der Stand der Forschung - nicht durch monetäre Anreize von der Arbeit ab.
Es wird diese gewünschten Effekte nicht haben und die Probleme, die wir auf den Arbeitsmarkt haben in Bezug auf Fachkräftemangel haben auch nichts mit dem Bürgergeld zu tun. Und da finde ich es dann schon ein bisschen problematisch, Kompromiss hin oder her, dass die Verantwortung für die Arbeitsmarktsituation bei den Schwächsten abgeladen wird. Und ich glaube, dass so ein Diskurs einfach wenig Spielräume lässt, um dann progressive Politik zu etablieren.
Positiver sehen Bettina Kohlrausch und Sebastian Dullien die geplante Anschubfinanzierung für ehemalige Langzeitarbeitslose. Auch die Anreize für Ältere, die über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten möchten, sieht Sebastian Dullien als weitestgehend vernünftig, solange die neuen Regelungen nicht missbraucht würden - so soll das Vorbeschäftigungsverbot abgeschafft werden und der Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung gestrichen und an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden. Allerdings stellt sich die Frage, was diese Änderungen bringen, solange in vielen Unternehmen die Nachfrage fehlt - denn gesamtwirtschaftliche Nachfrage und das Arbeitskräfteangebot müssen zusammenspielen.
Beim Thema Arbeitskräftemangel wird im neuen Haushaltsentwurf auch angestrebt, die Frauenerwerbstätigkeit zu stärken. Bettina Kohlrausch kritisiert einerseits, dass nie final aufgeholt wurde, den Kinderbetreuungsbedarf zu decken. Andererseits betont sie, dass Carearbeit nicht nur aus Kinderbetreuung besteht und auch andere Stellschrauben berücksichtigt werden müssen, um zu einer Erhöhung von Frauenerwerbsarbeitszeit zu führen. Zudem müsse die Tätigkeit in Kitas attraktiver werden, um dem Fachkräftemangel in Kitas entgegenzuwirken. "Allein mit Geld wird es nicht getan sein.", so Kohlrausch.
Ein weiterer Aspekt, der zu mehr Frauenerwerbstätigkeit führen soll, ist die Überführung der Steuerklassen drei und fünf in die Steuerklasse vier . Denn wenn die Person mit dem höheren Einkommen - häufig der Mann - in Steuerklasse drei und die Zweitverdienerin in Steuerklasse fünf ist, wirkt das Arbeiten für die Zweitverdenerin durch die hohen Steuern weniger lohnenswert und Aufstocken wirkt unattraktiv, obwohl dies durch eine Einkommenssteuererklärung wieder ausgeglichen werden könnte. Nun bleibt es abzuwarten, wie stark die betroffenen Personen auf diese Änderung reagieren werden und ob sie tatsächlich zu den gewünschten Effekten führen wird.
Darüber hinaus problematisiert Sebastian Dullien die Schuldenbremse, die die Grundsätze der Jährigkeit und Jährlichkeit, durchzusetzen versucht. Diese erschweren es, über ein Jahr hinaus zu planen. Bei Problemen wie strategischem Personalmangel reiche Geld für ein Jahr schlicht nicht aus, um die Probleme unserer Gesellschaft zu lösen.
Moderation: Marco Herack
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann