Quelle: HBS
PodcastsSystemrelevant Podcast: Arbeitsschutz stärken: Lehren aus der Fleischindustrie
Könnte das Arbeitsschutzkontrollgesetz auch in anderen Branchen funktionieren? HSI-Direktor Ernesto Klengel sowie Anneliese Kärcher und Manfred Walser von der Uni Mainz gehen der Frage nach.
[11.10.24]
Es war eine Notbremse des Gesetzgebers: Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft hatten sich wiederholt als so schlecht und ausbeuterisch erwiesen, dass die Bundesregierung Ende 2020 das Arbeitsschutzkontrollgesetz verabschiedete. Seitdem regelt es unter anderem die Einhaltung von Arbeitszeiten – und damit (Mindest-)Löhnen – sowie ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung.
Ein Vorbild auch für andere Branchen mit problematischen Arbeitsbedingungen? Durchaus, berichten Anneliese Kärcher und Manfred Walser von der Uni Mainz in der neuen Folge unseres Podcasts. Sie sind die Autor*innen eines Gutachtens mit dem Titel „Durchsetzung von Arbeitsrecht – Das Arbeitsschutzkontrollgesetz als Modell für Arbeitsschutz in prekären Branchen?“, das in Kürze in der HSI-Schriftenreihe erscheinen wird.
„Recht haben und Recht bekommen können zwei ganz unterschiedliche Dinge sein, das gilt gerade auch fürs Arbeitsrecht“, sagt HSI-Direktor Ernesto Klengel. Insbesondere in Branchen mit prekären Bedingungen greifen die Mindestbestimmungen des Arbeitsrechts oft nicht, und Beschäftigte sind häufig nicht in der Lage, ihre Rechte selbst vor Gericht durchzusetzen. Wenn dann auch noch Betriebsräte fehlen, stehen sie in Konfliktfällen oft alleine da. „Wir haben uns gefragt: Wie können wir die Rechtsdurchsetzung in diesen Bereichen verbessern?“
Kärcher und Walser haben sich zwei Branchen genauer angeschaut: die Landwirtschaft und die Paketzustellung. In der Paketzustellung, so die Autoren, finde man ähnliche Verhältnisse wie in der Fleischwirtschaft: Viele Beschäftigte arbeiten für Subunternehmen. In der Landwirtschaft spielen Subunternehmen hingegen keine größere Rolle, doch auch hier sind viele migrantische Beschäftigte zu Niedriglöhnen angestellt, ähnlich wie in der Fleischindustrie.
„Unser Fazit: Das Arbeitsschutzkontrollgesetz könnte auch in anderen Branchen, in denen es passt, effektiv sein. Besonders geeignet ist es für Branchen, in denen Kerntätigkeiten ausgelagert werden, um Kosten zu sparen und über Sozial- und Arbeitsbedingungen zu konkurrieren“, sagt Manfred Walser.
Neben dem Direktanstellungsgebot bietet das Arbeitsschutzkontrollgesetz weitere Maßnahmen, die übertragbar wären, wie etwa eine digitale und nachweisbare Arbeitszeiterfassung oder häufigere Kontrollen der Arbeitsbedingungen durch staatliche Aufsichtsbehörden, erklärt Anneliese Kärcher. Welche Strukturen die Regierung dafür schaffen müsste, wird im weiteren Verlauf der Folge diskutiert.
Moderation: Marco Herack
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann