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Zugangsrechte gelten auch im digitalen Betrieb Böckler Impuls

Mitbestimmung: Zugangsrechte gelten auch im digitalen Betrieb

Ausgabe 16/2021

Die betriebliche Kommunikation verlagert sich zunehmend ins Digitale. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, müssen Betriebsräte und Gewerkschaften Zugang zu dieser Sphäre haben.

Wer wirksam die Interessen von Beschäftigten vertreten will, muss mit ihnen kommunizieren. Dafür gibt es unter anderem Betriebsversammlungen, Sprechstunden beim Betriebsrat, gewerkschaftliche Flugblätter oder Plakate. Das Problem: Die Digitalisierung macht solche traditionellen Formate zum Teil obsolet. Welche gesetzlichen Möglichkeiten Betriebsräte und Gewerkschaften ausschöpfen können, um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, hat Wolfgang Däubler in einem Gutachten für das HSI analysiert. Der Arbeitsrechtler von der Universität Bremen kommt zu dem Ergebnis, dass Arbeitnehmervertreter auch im digitalen Betrieb Anspruch auf Informationsaustausch und Präsenz haben, also zum Beispiel dienstliche E-Mail-Adressen oder das Intranet nutzen dürfen. Das lässt sich nach Däublers Analyse bereits aus der geltenden Rechtslage ableiten. Eine ergänzende gesetzliche Klarstellung durch ein „digitales Zugangsrecht“ sei trotzdem sinnvoll, erklärt der Rechtsprofessor. 

Dass grundsätzlich nicht nur Betriebsräten, sondern auch Gewerkschaften das Recht zusteht, am Arbeitsplatz mit Beschäftigten in Kontakt zu treten, habe die Rechtsprechung wiederholt bestätigt, schreibt Däubler. Die Begründung: Bestimmte Aufgaben wie das Initiieren von Betriebsratswahlen oder die Beratung von Betriebsräten seien ohne ein solches Zugangsrecht nicht zu bewerkstelligen. Zudem müsse es wegen des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit möglich sein, im Betrieb über gewerkschaftliche Arbeit und Ziele zu informieren und neue Mitglieder zu gewinnen. Erlaubt sei alles, was diesem Zweck dient, solange überwiegende Rechte des Arbeitgebers dem nicht entgegenstehen. Das heißt: Gewerkschafter dürfen zum Beispiel auch während der Arbeitszeit kurze Gespräche mit Kollegen führen oder Werbematerial weitergeben, solange die Arbeitsabläufe nicht gestört werden. Wenn sie in einem Betrieb keine Mitglieder haben, sind Gewerkschaften laut einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) berechtigt, dort zu erscheinen, um zu informieren und Mitglieder zu werben.

Klärungsbedarf ergibt sich durch den digitalen Fortschritt. Denn vielen der bewährten Kommunikationskanäle, deren Nutzung Gerichte ausdrücklich ihren Segen erteilt haben, drohe ein Bedeutungsverlust. Besonders gravierend sei das Problem bei permanentem Homeoffice oder in der Plattformökonomie: Wer ausschließlich zu Hause arbeitet, habe wenig Gelegenheit, eine Betriebsratssprechstunde wahrzunehmen. Bei Crowdworkern oder Essenslieferanten, denen online Aufträge vermittelt werden, gebe es gar keine Betriebsräume, die Gewerkschafter aufsuchen könnten. „Ohne ein Ausweichen auf digitale Kommunikation käme die Betriebsratsarbeit und erst recht die gewerkschaftliche Arbeit völlig zum Erliegen“, so Däubler.

Dass Betriebsräte die Belegschaft per dienstlicher E-Mail anschreiben dürfen und Anspruch auf einen eigenen Auftritt im Intranet haben, sei gerichtlich bestätigt, heißt es in dem Gutachten. Grundsätzlich hätten sie auch das Recht, Erklärungen im Internet zu veröffentlichen – auch wenn die innerbetriebliche Konfliktlösung vorzuziehen sei. Darüber hinaus gebe es die Möglichkeit, die Kommunikationsbedingungen mithilfe von Betriebsvereinbarungen zu gestalten und beispielsweise festzuschreiben, dass die Anfahrt aus dem Homeoffice für einen Besuch der Betriebsratssprechstunde als Arbeitszeit gilt.

Nach der Rechtsprechung des BAG hat auch jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft das Recht, sich per E-Mail an die Belegschaft zu wenden – zumal dadurch weder betriebliche Kapazitäten blockiert noch Arbeitsabläufe gestört werden, so Däubler. Die Weitergabe der Mail-Adressen sei mit der Datenschutz-Grundverordnung vereinbar, weil Gewerkschaften oft keine andere Möglichkeit haben, mit den Beschäftigten in Kontakt zu treten, und daher ein berechtigtes Interesse an der Nutzung besteht. Einen Link zu einer gewerkschaftlichen Website könnten Betriebsräte auf die eigene Homepage setzen, ohne ihre Neutralitätspflicht zu verletzen, da ein solcher Link ein bloßes Informationsangebot darstellt. Mitglieder hätten zudem die Möglichkeit, gewerkschaftliche Informationen im Intranet zu platzieren. Schließlich handele es sich dabei um „nichts anderes als ein digitales Schwarzes Brett“.

Auch wenn es keine Mitglieder im Betrieb gibt, müsse die Gewerkschaft an der digitalen Kommunikation beteiligt sein, erklärt der Rechtswissenschaftler. Denkbar wäre, dass der Arbeitgeber in diesem Fall selbst einen Link zur Gewerkschaft einrichtet – wie dies das neue Personalvertretungsrecht des Bundes ausdrücklich vorschreibt –, ihr einen Auftritt im Intranet ermöglicht oder ihr das Recht einräumt, von Zeit zu Zeit dort Informationen einzustellen. 

Alles in allem sieht Däubler vielfältige Handhaben für Betriebsräte und Gewerkschaften, auch im digitalen Betrieb Flagge zu zeigen. Ein „digitales Zugangsrecht“ gesetzlich festzuschreiben, könnte vor allem zur Klarstellung beitragen und so die Rechtsanwendung erleichtern.

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