Quelle: HBS
Böckler ImpulsWohnen: Zu wenig Neubau verschärft Wohnungsnot
Beim Wohnungsbau droht ein drastischer Einbruch. Um den Neubau bezahlbarer Wohnungen zu fördern, braucht es nicht nur mehr Geld, sondern auch Unterstützung auf Bundesebene.
Die Bundesregierung hat den Neubau von 400 000 Wohnungen pro Jahr versprochen. Nachdem dieses Ziel bereits im vergangenen Jahr mit 295 000 neu fertiggestellten Wohneinheiten deutlich verfehlt wurde, könnte die Zahl in diesem Jahr im schlimmsten Fall auf 223 000 und im kommenden Jahr auf 177 000 sinken. Damit wäre der historische Tiefstand von 2009 fast wieder erreicht. Gründe dafür sind die hohen Zinsen und Baukosten. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des IMK. Angesichts solcher Aussichten sollten die Ausgaben für öffentlich geförderten Wohnungsbau erhöht und die Strukturen für eine schnellere Umsetzung von Bauvorhaben gestärkt werden, empfehlen die Forschenden.
Für ihre Untersuchung haben die IMK-Fachleute Carolin Martin und Thomas Theobald zusammen mit Lukas Jonas ein statistisches Modell entwickelt, mit dem sich die Auswirkungen der Zins- und Einkommensentwicklung auf die Bautätigkeit abschätzen lassen. Die Zahl der Fertigstellungen im Jahr 2022 wird vom Modell mit 274 000 neuen Wohnungen relativ gut prognostiziert, wenn auch leicht unterschätzt. Die Forschenden gehen daher davon aus, dass auch die Prognosen für 2023 und 2024 eher den unteren Rand definieren. Hinzu kommt, dass das Bundesbauministerium aktuell die Förderung für den sozialen Wohnungsbau erhöht – allerdings liegen noch nicht genügend Informationen vor, um die Auswirkungen auf die Baufertigstellungen in den Jahren 2023 und 2024 abzuschätzen.
Doch selbst wenn die Entwicklung etwas besser ausfiele als in der Risikoabschätzung angenommen, würde dies immer noch drastische Einbrüche bedeuten, die die Bauwirtschaft auf Jahre hinaus lähmen könnten, warnen Martin, Theobald und Jonas. Es bestehe die Gefahr, dass Kapazitäten abgebaut werden, was dazu führt, dass das verfügbare Angebot auch mittelfristig deutlich hinter dem Bedarf zurückbleibt.
Um den absehbaren Einbruch der privaten Bauinvestitionen zumindest teilweise zu kompensieren, plädieren die Forschenden für eine noch deutlichere Erhöhung der Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau. Dies könnte nicht nur die Bauwirtschaft stabilisieren, sondern auch den Anteil preisgünstiger, energieeffizienter Wohnungen erhöhen, die von privater Seite wegen zu hoher Bau- und Finanzierungskosten zuletzt zu selten gebaut wurden.
Befürchtungen, dass ein verstärktes Engagement der öffentlichen Hand die Baupreise und damit indirekt die Inflation anheizen könnte, halten die IMK-Fachleute derzeit für übertrieben. Die Risiken seien beherrschbar, insbesondere wenn man die Ausgaben schrittweise erhöht, die Lage jährlich evaluiert, die übrige Bautätigkeit im Auge behält und bei besserer Entwicklung auf weitere Ausbauschritte verzichtet. Wenn andererseits zu wenig Wohnungen gebaut werden und die Mieten aufgrund der Knappheit weiter steigen, könne dies auch die Inflation anheizen.
Konkret könnte nach Analysen des IMK eine Aufstockung und Ausweitung der bestehenden KfW-Programme für den sozialen Wohnungsbau dazu beitragen, die durch steigende Zinsen verursachten Kosten abzufedern und damit Bauvorhaben zu ermöglichen. Eine weitere Fördermöglichkeit bestünde im Bereich des Erbbaurechts – wenn sich private Bauträger verpflichten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, könnten sie im Gegenzug Vergünstigungen beim Erbbauzins für das Grundstück erhalten. Mittelfristig sei es zudem sinnvoll, neue öffentliche Einrichtungen zu schaffen, die den Bau bezahlbarer Wohnungen fördern. Dazu zählt das IMK:
- Eine bundesweit agierende Beratungsgesellschaft. Sie kann kommunale Verwaltungen bei der Planung von Wohn- und Stadtteilprojekten unterstützen. Hier würde sich ein Ausbau der bereits existierenden Beratungsgesellschaft „Partnerschaft Deutschland“ anbieten.
- Ein Bodenfonds, der die Kommunen dabei unterstützen kann, das öffentliche Eigentum an Grund und Boden auszuweiten.
- Ein Beteiligungsfonds, der sich als Minderheitsgesellschafter an öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften beteiligen und so deren Eigenkapitalbasis stärken kann.
Lukas Jonas, Carolin Martin, Thomas Theobald: Mehr öffentlicher Wohnungsbau zum Erhalt der Kapazitäten? Eine Abschätzung möglicher Rückgänge der Bauaktivität durch gestiegene Zinsen für die Jahre 2023 – 24, IMK Policy Brief Nr. 155, Juli 2023