Quelle: HBS
Böckler ImpulsHochschulen: Zu wenig Geld für mehr Studierende
Die Zahl der Studierenden nimmt zu. Die Finanzierung der Hochschulen hält damit nicht Schritt. Vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und NRW müssten mehr investieren.
Hochschulen in Deutschland sind weiterhin unterfinanziert. Zwar stehen heute deutlich mehr Mittel als noch vor zehn Jahren zur Verfügung, aber gemessen an der steigenden Zahl der Studierenden immer noch zu wenig. Das ist das Ergebnis einer Studie von Benjamin Baumgarth, Justus Henke und Peer Pasternack vom Institut für Hochschulforschung (HoF) Halle-Wittenberg im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Die Forscher haben die Finanzierung des gesamten Hochschulsystems untersucht. Neben der Grundfinanzierung der Hochschulen zählen dazu unter anderem Ausgaben für Investitionen oder Studienförderung sowie Drittmittel. Ausgenommen sind Universitätskliniken.
Insgesamt flossen im Jahr 2013 rund 33,6 Milliarden Euro in das Hochschulsystem. Davon gingen 29,4 Milliarden Euro direkt an die Hochschulen, 4,2 Milliarden Euro in die Förderung von Studierenden und Wissenschaftlern. 94,5 Prozent dieser Mittel stammten aus öffentlichen Kassen. Die private Wirtschaft einschließlich privater Stiftungen kam auf einen Anteil von 5,5 Prozent.
Die größte Bedeutung für die Finanzierung des Hochschulsystems haben die laufenden Grundmittel. Sie beliefen sich im Jahr 2013 auf 18,3 Milliarden Euro – und sind damit seit 2004 bundesweit betrachtet um 29 Prozent gestiegen. Die laufenden Grundmittel, mit denen Hochschulen zum Beispiel Personal, Verwaltung oder Gebäude bezahlen, werden zum allergrößten Teil von den Ländern bereitgestellt. Die Zuwächse bei der Grundfinanzierung schwanken stark nach Bundesländern: Am größten waren sie in Hamburg (+85 Prozent), Baden-Württemberg (+51 Prozent) und Hessen (+50 Prozent), am geringsten in Sachsen (+6 Prozent), Thüringen (+18 Prozent) und Bremen (+19 Prozent). Das einzige Bundesland, das weniger für seine Hochschulen ausgab, war Berlin mit einem Minus von 9 Prozent.
Umgerechnet auf die Zahl der Studierenden bleibt jedoch von den Zuwächsen wenig übrig: Da die Studierendenschaft in zehn Jahren um 28 Prozent gestiegen ist, wuchsen die Ausgaben pro Student nur um 1 Prozent. Das entspricht im Durchschnitt der Länder einem Plus von 55 Euro auf 7.323 Euro im Jahr 2013. In Baden-Württemberg, Berlin, NRW, dem Saarland und Schleswig-Holstein wurde sogar weniger Geld pro Student ausgegeben als zehn Jahre zuvor. Noch schlechter stellt sich die Situation dar, wenn man die Kostensteigerung – Inflation und höhere Personalkosten – in dieser Zeit berücksichtigt: Dann sanken die Hochschulausgaben pro Student im Durchschnitt um 12 Prozent oder 907 Euro. Lediglich in Brandenburg, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz wurde real mehr ausgegeben als 2004.
Drittmittel gewinnen an Bedeutung
Dass die Hochschulen heute über mehr laufende Grundmittel verfügen, ist zu einem guten Teil dem Bund zu verdanken: Beinahe die Hälfte des Anstiegs ging auf Zuweisungen im Rahmen des Hochschulpakts zurück. Auch auf anderen Wegen beteiligt sich der Bund inzwischen stärker, etwa durch Zuschüsse für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), BAföG, den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) oder die Exzellenzinitiative. Insgesamt machten Bundesmittel 2013 rund 9,5 Milliarden Euro oder 28 Prozent der gesamten Finanzierung des Hochschulsystems aus. Der Bund hat seinen Beitrag in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Neben dem Bund steigerte auch die Europäische Union ihre Förderung im Betrachtungszeitraum um mehr als 100 Prozent. Insgesamt haben Programm- und Projektmittel, die nicht von den Ländern bereitgestellt werden, deutlich an Bedeutung gewonnen. Die Kehrseite dieser Entwicklung: Drittmittel stehen erstens nicht dauerhaft und verlässlich zur Verfügung. Und zweitens kommt ihnen deshalb größere Bedeutung zu, weil die Länder vergleichsweise wenig für einen Ausbau der Hochschulfinanzierung getan haben. Die Bundesländer werden ihrer Verantwortung „nur teilweise gerecht“, konstatieren Baumgarth, Henke und Pasternack.
Starke Länder tun zu wenig
Der Anteil der Grundmittel am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Länder ist im vergangenen Jahrzehnt nicht gestiegen. Vergleicht man die Länder hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Stärke, gemessen am BIP, zeigen sich deutliche Unterschiede. Einige Länder münzen ihre überdurchschnittliche Leistungskraft nicht in eine überdurchschnittliche Hochschulfinanzierung um. Anders ausgedrückt: Sie könnten mehr Geld ausgeben, tun dies aber nicht. Das gilt für Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Bayern fällt in dieser Hinsicht besonders negativ auf: Das Land hat einen hohen Bedarf an Hochqualifizierten, investiert daran gemessen aber sehr wenig in die Hochschulen. Bayern profitiert davon, dass es viele Akademiker anzieht, für deren Ausbildung andere Bundesländer gezahlt haben. Dagegen geben manche Länder mehr aus, als ihre Wirtschaftskraft erwarten lässt – und setzen damit einen Schwerpunkt bei der Hochschulfinanzierung. Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen weisen ein unterdurchschnittliches BIP auf, investieren aber überdurchschnittlich viel in ihre Hochschulen. „Die Stadtstaaten tragen eine überproportionale Last“, schreiben die Autoren der Studie. Andererseits seien damit langfristig gesehen Vorteile verbunden: „Man schafft sich dadurch die gut ausgebildeten Fachkräfte von morgen.“
Im internationalen Vergleich hat Deutschland Nachholbedarf: Der Anteil der Hochschulausgaben am BIP liegt hierzulande bei 1,2 Prozent, während es im Durchschnitt der OECD-Staaten 1,5 Prozent sind. Beträchtlich höhere Anteile erreichen die USA mit 2,8 Prozent, Kanada und Chile mit jeweils 2,5 Prozent und Südkorea mit 2,4 Prozent. Allerdings zählen in diesen Staaten auch Bereiche zum Hochschulsystem, die in Deutschland dem beruflichen Bildungswesen zugewiesen sind.
Benjamin Baumgarth, Justus Henke und Peer Pasternack: Inventur der Finanzierung des Hochschulsystems. Mittelflüsse, Kontroversen und Entwicklungen im letzten Jahrzehnt, Working Paper der Studienförderung in der Hans-Böckler-Stiftung, November 2016
Link zur Studie (pdf)
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