zurück
Wirtschaftspolitische Zeitenwende nötig Böckler Impuls

Konjunktur: Wirtschaftspolitische Zeitenwende nötig

Ausgabe 16/2024

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle. Damit sie wieder in die Gänge kommt, muss der Staat kräftig investieren.

Die deutsche Konjunktur kann sich in diesem Jahr nicht aus der Stagnation lösen. Das liegt an einer verhaltenen Nachfrage aus dem Ausland, einer restriktiven und unsteten Fiskalpolitik der Bundesregierung und an einer trotz erster Zinssenkungen nach wie vor zu straffen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wird in diesem Jahr im Schnitt  0 Prozent betragen, 2025 immerhin 0,7 Prozent – vor allem, weil positive Impulse durch weiter steigende Nominallöhne und abnehmende Inflation den privaten Konsum wieder in Schwung bringen. Zu diesem Ergebnis kommt das IMK in seiner aktuellen Konjunkturprognose. 

Die insgesamt schleppende Wirtschaftsentwicklung drückt laut der Prognose mittlerweile auf die Arbeitsmarktentwicklung. Die Zahl der Erwerbstätigen nimmt zwar in diesem Jahr um durchschnittlich 0,4 Prozent zu, 2025 aber nur noch um 0,1 Prozent. Gleichzeitig steigt allerdings auch die Arbeitslosigkeit im Jahresmittel 2024 um gut 160 000 Personen und 2025 um weitere gut 60 000. Die Arbeitslosenquote beträgt 6,0 Prozent und 6,1 Prozent – nach 5,7 Prozent 2023. Die Inflationsrate wird im Jahresdurchschnitt 2024 mit 2,3 Prozent wieder dem Inflationsziel der EZB nahekommen und es mit 2,0 Prozent im Jahresmittel 2025 erreichen.

Newsletter abonnieren

Alle 14 Tage Böckler Impuls mit Analysen rund um die Themen Arbeit, Wirtschaft und Soziales im Postfach: HIER anmelden!

Die deutsche Wirtschaftsleistung wird damit Ende 2024 auf ähnlichem Niveau liegen wie fünf Jahre zuvor. Die hartnäckige Flaute sei auch ein Symptom veränderter weltwirtschaftlicher Gegebenheiten, auf die die Wirtschaftspolitik reagieren müsse, so die IMK-Forschenden. „In der Vergangenheit hat sich die deutsche Wirtschaft meist über den Export aus der Wirtschaftsflaute gezogen“, schreiben sie. Dafür stünden die Chancen derzeit allerdings schlecht, was nicht nur an einer nur moderaten weltwirtschaftlichen Dynamik und nach wie vor relativ hohen Energiepreisen liege. Weitere Hindernisse seien die forsche Industriepolitik der wichtigen Handelspartner China und USA mit dem Ziel, die Produktion im eigenen Land zu stärken und auszubauen, sowie die Tendenzen verschiedener Länder, Importe durch Zölle zu verteuern. 

„In dieser Situation bräuchten wir in Deutschland eine wirtschaftspolitische Zeitenwende mit umfangreichen und kontinuierlichen Investitionen unter anderem in erneuerbare Energien, Netze, Verkehrsinfrastruktur und Bildung“, erklärt IMK-Direktor Sebastian Dullien. Das IMK beziffert die notwendigen zusätzlichen Investitionen allein des Staates zusammen mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft auf 600 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. In der Wachstumsinitiative der Bundesregierung stehe dazu und zur Anregung privater Investitionen aber wenig Konkretes mit Ausnahme der erhöhten degressiven Abschreibung. „Diese mag die Investitionsbereitschaft einiger Unternehmen erhöhen. Die erforderlichen privaten Investitionen in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro in den kommenden Jahren werden aber nur erfolgen, wenn der Staat begleitend die Infrastruktur erneuert und dadurch die Planungssicherheit und Absatzperspektiven verbessert“, warnt das IMK. 

Andere Maßnahmen der Wachstumsinitiative, die darauf abzielen, das Arbeitsangebot im demografischen Wandel zu stabilisieren, seien teilweise sinnvoll, würden aber kurzfristig kaum nennenswerte Wirkung zeigen. Die ebenfalls geplante steuerliche Begünstigung von Zuschlägen für Mehrarbeit lehnen die Ökonominnen und Ökonomen als „Geldverschwendung“ ab, weil sie vor allem Fehlanreize für teure Mitnahmeeffekte setze. Zaghaftigkeit präge nicht nur die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, sondern auch die Positionen der Opposition, insbesondere hinsichtlich der wachstumsschädlichen Schuldenbremse, sagt Wirtschaftsforscher Dullien. Hinzu kämen Unzulänglichkeiten bei der Reform der EU-Fiskalregeln. Diese sollte nach dem Willen der EU-Kommission eigentlich das Investitionspotenzial vergrößern, stattdessen dürfte sie nun Spielräume für öffentliche Investitionen unnötig einschränken.

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen