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HBS Böckler Impuls

Europa: Wie der Euro überleben kann

Ausgabe 05/2017

Die Zukunft des Euros steht auf dem Spiel – wieder einmal. Ist die Währungsunion noch zu retten? Ja, sagt ein US-Ökonom und skizziert einen Ausweg aus der Krise.

Griechenland steht möglicherweise erneut vor einem Schuldenschnitt. Italien droht eine Bankenkrise. Manche Experten prophezeien das Ende der Eurozone. Auch die US-Regierung unter Donald Trump hat sich auf die Gemeinschaftswährung eingeschossen. Doch ein führender US-Ökonom hält dagegen: Der Euro werde bestehen bleiben, erklärt Barry Eichengreen, Wirtschaftsprofessor und Währungsexperte von der Berkeley University. Um dauerhafte Stabilität zu gewährleisten, müssten die Eurostaaten allerdings weitreichende Maßnahmen ergreifen.

Nach Meinung des Wirtschaftswissenschaftlers, der Ende April beim Europäischen Gespräch der Hans-Böckler-Stiftung auftreten wird, gibt es starke Kräfte, die den Euro zusammenhalten: Erstens wären die wirtschaftlichen Kosten eines Auseinanderbrechens zu hoch, höher als die einer Rettung. Nicht nur Südeuropa, auch Deutschland würde im Falle einer Rückkehr zu nationalen Währungen in eine schwere Krise geraten. Die „Neue Deutsche Mark“ würde so stark aufwerten, dass dies die deutsche Exportindustrie „zerstören“ könnte. Zweitens sei der politische Wille groß, die europäische Integration fortzuführen. Dass die USA möglicherweise nicht mehr der verlässliche Partner sind, der sie in der Vergangenheit waren, werde den Zusammenhalt noch stärken.

Eichengreen verschweigt nicht, dass sich die Währungsunion in besorgniserregendem Zustand befindet. Nach seiner Ansicht muss eine Reihe von Konstruktionsfehlern behoben werden. Er zählt vier „minimale Bedingungen“ für ein Überleben des Euros auf:

 

Erstens: Mehr Spielraum für die EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) muss wie eine „normale“ Zentralbank arbeiten können. Dazu sind Instrumente wie der Ankauf von Anleihen und anderen Papieren unerlässlich. Der Kauf von Staatsanleihen sollte im direkten Verhältnis zur wirtschaftlichen Stärke der jeweiligen Länder geschehen und sich nach dem sogenannten Kapitalschlüssel der EZB richten. Dabei dürfen nationale Interessen keine Rolle spielen, findet Eichengreen. Der Rat der EZB sollte sich daher nicht wie bisher aus Vertretern der nationalen Notenbanken zusammensetzen, sondern ein gänzlich unabhängiges Gremium sein. Seine Entscheidungen sollten nicht durch Gerichte der Mitgliedsstaaten infrage gestellt, sondern allenfalls vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden.

 

Zweitens: Bankenunion vollenden

Eine Währungsunion funktioniert nicht ohne Bankenunion. Das heißt: Banken in Europa müssen einer gemeinsamen Regulierung und Überwachung unterliegen. Einige Schritte in diese Richtung sind bereits unternommen worden, zum Beispiel übernimmt die EZB die Aufgabe der Bankenaufsicht. Außerdem haften im Falle einer Bankenpleite künftig nicht mehr nur die Steuerzahler, sondern zuerst Anteilseigner und Gläubiger. Ein wichtiger Schritt fehlt laut Eichengreen aber noch: Die Einführung einer europaweiten Einlagensicherung, die Sparguthaben bis zu 100.000 Euro absichert. Statt nationaler Lösungen sollte es einen gemeinsamen Pool aus Finanzmitteln geben, in den alle Banken einzahlen. Banken mit höheren Risiken müssten mehr einzahlen. Überdies plädiert der Währungsexperte für eine Entflechtung von Staaten und Banken: Damit sich eine Schuldenkrise in einzelnen Staaten nicht zu einer europaweiten Bankenkrise auswachsen kann, sollte den Geldinstituten verboten werden, Staatsanleihen der Eurostaaten zu besitzen.

 

Drittens: Investieren statt sparen

Eine einheitliche Währung erfordert eigentlich eine gemeinsame Finanzpolitik. Durch eine Umverteilung von wirtschaftlich stärkeren in schwächere Länder ließen sich Ungleichgewichte innerhalb der Gemeinschaft ausgleichen. Eichengreen hält eine solche Fiskalunion für die beste Lösung, geht aber davon aus, dass sie sich aufgrund unterschiedlicher nationaler Interessen momentan nicht durchsetzen lässt. Alternativ schlägt er daher einen anderen Weg vor: Die Nationalstaaten sollten mehr Freiheiten als bisher erhalten, die eigene Wirtschaft durch eine expansive Fiskalpolitik zu stabilisieren. Statt einzelnen Ländern einen Sparkurs zu diktieren, sollte man ihnen Spielraum für Investitionen geben.

 

Viertens: Schuldenschnitt vor dem Neustart

Anders als zum Beispiel das IMK hält Eichengreen einen Schuldenschnitt für erforderlich – und zwar nicht nur in Griechenland, sondern in sämtlichen europäischen Staaten, deren Schulden untragbar geworden sind. Erst dann könne ein Neustart gelingen. Der Schuldenschnitt müsste nach Meinung des US-Ökonomen am besten in einer gemeinsamen Aktion erfolgen. So ließe er sich gegenüber Gläubigern eher durchsetzen. Ein so radikaler Schritt würde zunächst Vertrauen an den Finanzmärkten kosten – doch das ließe sich zurückgewinnen, wenn die Anleger erkennen, dass die Eurozone dank der beschriebenen Maßnahmen stabiler dastehen wird als zuvor.

Barry Eichengreen spricht am 27. April 2017 beim Europäischen Gespräch der Hans-Böckler-Stiftung und des Europäischen Gewerkschaftsinstituts in Brüssel. Die Veranstaltung wird per Livestream übertragen. Hier geht's zu Programm und Anmeldung ...

Barry Eichengreen: Don't Sell the Euro Short. It's Here to Stay, Bloomberg View, Februar 2017 

Tamim Bayoumi, Barry Eichengreen: Aftershocks of Monetary Unification: Hysteresis with a Financial Twist, NBER Working Paper No. 23205, Februar 2017 (kostenpflichtig)

Barry Eichengreen, Charles Wyplosz: Minimal conditions for the survival of the euro, in: Richard Baldwin, Francesco Giavazzi: How to fix Europe’s monetary union.

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