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HBS Böckler Impuls

Arbeitsrecht: Werkverträge: Den Dschungel lichten

Ausgabe 07/2014

Umkehr der Beweislast, Angleichung der Bezahlung, mehr Mitbestimmung: So lässt sich nach Analyse von Rechtswissenschaftlern der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen eindämmen.

Das Verhältnis von Schein und Wirklichkeit beschäftigt nicht nur Philosophen, sondern auch Juristen: Arbeitsrechtlern stellt sich unter anderem die Frage, wie mit Scheinwerkverträgen gesetzlich umzugehen ist. Christiane Brors von der Universität Oldenburg und Peter Schüren von der Universität Münster haben sich mit diesem Problem in einem Gutachten für das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium auseinandergesetzt. Außerdem haben sie Vorschläge entwickelt, wie der Gesetzgeber dem Missbrauch von Leiharbeit einen Riegel vorschieben kann. Ihrer Analyse zufolge wären klare Fristen und Vorgaben für die Bezahlung von Leiharbeitern nötig. Unternehmen müssten nachweisen, dass ein echter Werkvertrag vorliegt. Außerdem sollten Betriebsräte mehr Informationsrechte erhalten.

Beschäftigungsdauer. Gemäß der EU-Richtlinie zur Leiharbeit dürften Betriebe dieses Instrument nur bei vorübergehendem Flexibilisierungsbedarf nutzen, schreiben Brors und Schüren. Was genau „vorübergehend“ bedeutet, sei allerdings strittig, da das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz keine präzisen Vorgaben enthalte. Um das zu ändern, schlagen die Gutachter vor, eine „widerlegbare Vermutung der nicht vorübergehenden Überlassung“ nach sechs Monaten gesetzlich festzulegen. Das heißt: Wer einen Beschäftigten länger als ein halbes Jahr entleihen möchte, muss stichhaltige Gründe dafür nennen. Länger als 18 Monate soll Leiharbeit nur noch unter ganz engen, überprüfbaren Voraussetzungen möglich sein – etwa wenn bei einem Entwicklungsprojekt niemand für eine befristete Einstellung zur Verfügung steht. Werden die gesetzlichen Grenzen überschritten, wird automatisch aus dem Leiharbeits- ein Arbeitsverhältnis. „Auf diese Weise wird herbeigeführt, was Verleiher und Entleiher gesetzwidrig vermeiden wollten“, so die Rechtswissenschaftler.

Höhe der Bezahlung. Bei der Entlohnung sieht das Gutachten die Gleichbehandlung von befristet beschäftigten Leiharbeitern und Stammpersonal vor. Die Leiharbeitstarife, die in der Regel deutlich niedriger als in anderen Branchen ausfallen, sollen bei Befristung also nicht mehr gelten. Die Begründung: Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts sei das geringere Lohnniveau bei der Leiharbeit dadurch gerechtfertigt, dass Verleiher das Risiko von einsatzlosen Zwischenzeiten tragen. Nach Ansicht von Brors und Schüren entfällt diese Rechtfertigung, wenn Verleiher Beschäftigte ohnehin nur für die Dauer einer Überlassung einstellen. Für unbefristet beschäftigte Leiharbeiter sollen weiterhin spezielle Tarife möglich sein – allerdings nur für maximal neun Monate. Danach müssten ausnahmslos alle Beschäftigten den gleichen Stundenlohn erhalten. Das gelte auch für Überlassung aus dem Ausland. Um diesen Anspruch abzusichern, sollte der Entleiher für Lohnrückstände des Verleihers haften. So würden Unternehmen dazu angehalten, nur mit seriösen Verleihern zusammenzuarbeiten, argumentieren die Juristen.

Umkehr der Beweislast. Bei illegaler Überlassung durch Scheinwerkverträge und bei Scheinselbstständigen empfehlen Brors und Schüren eine Beweislastumkehr. Momentan sei es kaum möglich, sich beim wirklichen Arbeitgeber einzuklagen, weil die Beweislast beim Kläger liege, der selten Zugang zu den nötigen Informationen habe. Stattdessen soll künftig der Nachweis ausreichen, dass man in einem Betrieb tätig ist. Der Betriebsinhaber müsste dann belegen, dass es sich tatsächlich um einen Werkvertrag mit einer Fremdfirma oder einem Selbstständigen handelt. Bei entsandten Ausländern ist das etwas komplizierter: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind deutsche Gerichte bei Vorliegen einer Entsendebescheinigung nicht befugt, die zugrunde liegende Vertragsbeziehung umzuwandeln. Als Alternative schlagen die Autoren einen Anspruch auf die übliche Vergütung zuzüglich eines Aufschlags in Höhe des Arbeitgeberanteils in der Sozialversicherung vor. Damit werde der Kostenvorteil illegaler Überlassung aufgehoben, was abschreckend wirke.

Mehr Mitbestimmung. Eine weitere Empfehlung: Betriebsräte sollten in die Lage versetzt werden, wirksam gegen den Missbrauch von Fremdpersonal einzuschreiten. Möglich sei das nur, wenn Arbeitnehmervertreter umfassend informiert sind. Brors und Schüren plädieren dafür, einen dauerhaften Unterrichtungsanspruch im Betriebsverfassungsgesetz zu verankern. Fremdpersonaleinsatz würde dann automatisch unzulässig, wenn der Betriebsrat nicht umfassend und rechtzeitig informiert wurde.

  • Gemäß der EU-Richtlinie zur Leiharbeit dürfen Betriebe dieses Instrument nur bei vorübergehendem Flexibilisierungsbedarf nutzen. Was genau „vorübergehend“ bedeutet, ist allerdings bislang strittig. Zur Grafik

Christiane Brors, Peter Schüren: Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern (pdf), Gutachten für das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Februar 2014

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