Quelle: HBS
Böckler ImpulsVerteilung: Wer viel verdient, erbt am meisten
Menschen mit hohem Einkommen erhalten besonders oft und besonders viel Geld aus Schenkungen und Erbschaften. So konzentriert sich Reichtum über die Generationen. Steuern auf Vermögen könnten dem entgegenwirken – werden aber kaum erhoben.
Erbschaften und Schenkungen verstärken bestehende Ungleichheit. Das zeigt eine Studie der DIW-Forscher Christian Westermeier und Markus Grabka sowie Anita Tiefensee von der Hertie School of Governance. Der Staat trägt das Seine dazu bei: Nach zwei Jahrzehnten, die in Deutschland vor allem durch Entlastungen für Wohlhabende geprägt waren, wirke die Steuerpolitik „der Kluft zwischen Arm und Reich“ kaum noch entgegen, schreiben die Wissenschaftler.
Wer hat, dem wird gegeben – dieses Muster beobachten die Forscher mit kleinen Unterschieden in allen acht Euroländern, für die aussagekräftige Daten aus der repräsentativen Household Finance and Consumption Survey der europäischen Zentralbanken vorliegen. Neben Deutschland sind dies Belgien, Frankreich, Griechenland, Österreich, Portugal, Spanien und Zypern. Bis zum Untersuchungsjahr 2010 hatten je nach Land zwischen 27 und 40 Prozent der Haushalte mindestens einmal geerbt oder eine Schenkung erhalten. In die Analyse flossen nur Geldtransfers zwischen Haushalten ein. Übertragungen unter Eheleuten oder an Kinder, die noch bei ihren Eltern leben, blieben also außen vor. Daher dürfte das Transfervolumen unterschätzt sein, vor allem in Südeuropa, wo mehr Menschen unter einem Dach leben. Trotzdem ist der Wert aller erfassten Erbschaften und Schenkungen sehr groß. In Westdeutschland – die neuen Länder konnten in die Studie nicht einbezogen werden, weil die Bewertung von Erbschaften aus DDR-Zeiten schwierig ist – entspricht er fast einem Drittel der aktuellen Haushaltsnettovermögen. Dabei zeigt sich eine hohe soziale Ungleichheit.
In Deutschland und Österreich haben Haushalte, die beim Einkommen zu den obersten 20 Prozent zählen, doppelt so häufig geerbt oder Schenkungen empfangen wie Haushalte aus dem untersten Fünftel. Eine deutsche Besonderheit: Hier erhalten bereits Menschen in der Altersklasse von 35 bis 44 hohe Transfers. Das ist früher als in den meisten anderen Ländern und deutet nach Ansicht der Forscher auf eine besondere Bedeutung von Schenkungen hin.
Hohes Einkommen, höhere Transfers
Westdeutsche Haushalte, die bereits geerbt haben oder beschenkt wurden, erhielten im Durchschnitt 193.000 Euro, zeigen die Berechnungen der Forscher. Mit diesem Wert liegen die Deutschen auf Platz drei – nach Zyprern und Österreichern. In allen untersuchten Ländern ist der Durchschnitt weitaus höher als der Median. Dies weist den Forschern zufolge „auf die hohe Ungleichheit der empfangenen Transfers“ hin. In Westdeutschland heißt das konkret, dass erbende oder beschenkte Haushalte, die zum bestverdienenden Fünftel zählen, im Schnitt 304.000 Euro bekommen haben. Im mittleren Fünftel waren es durchschnittlich 158.000 Euro. Die – relativ wenigen – Empfänger von Erbschaften oder Schenkungen im untersten Fünftel erhielten im Schnitt lediglich 97.000 Euro.
In fast allen untersuchten Ländern setzt die Steuerpolitik der Vermögenspolarisierung beim Übergang auf die nächste Generation wenig bis fast nichts entgegen. So schafften Österreich, Zypern und Portugal die Erbschaftsteuer weitgehend ab. In Deutschland könnten „durch hohe Freibeträge, die sich nach zehn Jahren erneuern“ auch Privatvermögen „fast steuerfrei an die nächste Generation übertragen werden“, so die Forscher. Das komme vor allem Wohlhabenden zugute, ebenso wie die Aussetzung der Vermögenssteuer und Absenkungen bei der Besteuerung von Unternehmen, Kapitalerträgen und hohen Einkommen. Dabei, betonen die Wissenschaftler, ließen sich „mit zusätzlichen Mitteln aus vermögensbezogenen Steuern auch Instrumente finanzieren, die die Chancengleichheit erhöhen“ – beispielsweise ein besseres, durchlässigeres Bildungssystem.
Christian Westermeier, Anita Tiefensee, Markus Grabka: Erbschaften in Europa: Wer viel verdient, bekommt am meisten. DIW-Wochenbericht 17/2016 (pdf)