Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitskämpfe: Weniger Großkonflikte
2016 sind deutlich weniger Arbeitstage durch Streiks ausgefallen als im Vorjahr. Hauptgrund: Es fehlten diesmal umfangreiche Arbeitskämpfe wie Kita- und Poststreik im Jahr 2015.
Für das vergangene Jahr kommt die WSI-Streikbilanz auf 462.000 Streiktage. Dies ist ein massiver Rückgang gegenüber 2015, als es noch rund zwei Millionen Ausfalltage gab. Nahezu unverändert blieb 2016 dagegen die Teilnahme an Streiks und Warnstreiks. Knapp 1,1 Millionen Beschäftigte beteiligten sich an Arbeitsniederlegungen. Das geht aus einer Auswertung des WSI-Forschers Heiner Dribbusch hervor.
„Entscheidend war, dass diesmal große, über Wochen andauernde Arbeitsniederlegungen ausblieben“, sagt Dribbusch. „Deshalb ging 2016 das Arbeitskampfvolumen wieder auf den Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2014 zurück, als im Mittel 469.000 Arbeitstage ausfielen.“
Am meisten Beteiligte hatten 2016 die Warnstreikwellen während der Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes sowie die Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie. Im öffentlichen Dienst beteiligten sich nach Schätzungen der Gewerkschaften insgesamt an die 200.000 Beschäftigte an verschiedenen verhandlungsbegleitenden Arbeitsniederlegungen, in der Metall- und Elektroindustrie waren es mehr als 800.000.
Wie in den Vorjahren waren mehr als drei Viertel der rund 200 Arbeitskämpfe Auseinandersetzungen um Haus- und Firmentarifverträge. In den meisten Fällen waren mittlere und kleinere Unternehmen und Einrichtungen involviert. In vielen Fällen wurden die Verhandlungen lediglich von einzelnen, oft auch kürzeren Warnstreiks begleitet. Öffentlich wahrgenommen werden diese allerdings meist nur, wenn der Verkehrsbereich, insbesondere die Luftfahrt, betroffen sind, so Dribbusch.
Einige Tarifauseinandersetzungen waren durchaus zäh, zum Beispiel im Gesundheitsbereich. Besonders lange zog sich der Konflikt um die Übernahme des Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst für die Beschäftigten der Ameos-Kliniken in Hildesheim und Osnabrück hin. Dort wurde über elf Wochen gestreikt.
„Der Verlauf vieler Arbeitskämpfe zeigt, dass der Abschluss eines Tarifvertrages keineswegs mehr selbstverständlich ist“, sagt Streikexperte Dribbusch. „Das traurigste Bild gibt hierbei Deutschlands größter Versandhändler Amazon ab. Nach wie vor verweigert der Konzern seinen Beschäftigten den Schutz eines Tarifvertrages.“ Seit Frühjahr 2013 ziehe sich diese wegen ihrer Signalwirkung bedeutende Auseinandersetzung hin. Auch 2016 sei es wieder zu zahlreichen Arbeitsniederlegungen gekommen. Dribbusch zufolge durchaus mit Erfolgen: „Obwohl bisher kein Tarifvertrag erreicht wurde, haben die Arbeitsniederlegungen das Management veranlasst, die Arbeitsbedingungen spürbar zu verbessern, wie die Streikenden immer wieder betonen.“
Mehr als die Hälfte aller arbeitskampfbedingten Ausfalltage entfiel 2016 auf den Dienstleistungsbereich. Betrachtet man dagegen die Streikteilnehmer, verschiebt sich das Bild: 80 Prozent waren in Industrie und Bauwirtschaft beschäftigt.
Im internationalen Vergleich erweist sich Deutschland weiterhin als recht streikarmes Land. In Frankreich fielen im Durchschnitt der letzten zehn Jahre sechsmal so viele Arbeitstage durch Streiks aus.