Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitszeit: Wenige Führungskräfte arbeiten Teilzeit
Teilzeit ist unter Managern eine Seltenheit: Weniger als 5 Prozent der deutschen Führungskräfte reduzieren ihre Arbeitszeit. Ähnlich sieht es in den meisten europäischen Ländern aus.
Der geringe Frauenanteil in Managementpositionen hängt auch damit zusammen, dass Kinderbetreuung und Karriere immer noch schwer zu vereinbaren sind. Denn zumeist kümmern sich die Mütter um den Nachwuchs. Wichtig wären daher familienfreundliche Arbeitszeitmodelle für Führungskräfte – wie beispielsweise Teilzeit, schreiben Lena Hipp und Stefan Stuth. Wie verbreitet Teilzeitarbeit in den Chefetagen ist, haben die Soziologen vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekts „Institutionelle Bedingungen des Zusammenhangs von atypischer Beschäftigung und sozialer Ungleichheit in Europa“ untersucht. Dafür haben sie Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung aus dem Jahr 2009 ausgewertet. Die Analyse berücksichtigt 19 Länder – sämtliche Mitgliedstaaten der EU ohne die nordischen Länder, Rumänien, Bulgarien, Tschechien, Zypern und Malta. Das Ergebnis ihrer vergleichenden Studie: „Teilzeitmanagerinnen und -manager sind in Europa überall die Ausnahme.“
Zum Management zählen die Wissenschaftler alle Beschäftigten mit Leitungsfunktionen sowie Selbstständige und Unternehmer mit Angestellten. Von diesen Führungskräften arbeiten in Deutschland und den meisten süd- und osteuropäischen Ländern nicht einmal 5 Prozent weniger als 30 Stunden pro Woche. Etwas höher ist der Anteil in den Niederlanden mit 12 Prozent und in Irland mit 11 Prozent. Dabei würden viele Chefs gerne kürzer treten: In Tschechien, Luxemburg, Österreich und Griechenland möchten zwischen 25 und 35 Prozent der befragten Manager ihre Arbeitszeit um mindestens fünf Wochenstunden reduzieren. In Deutschland sind es 5 Prozent.
Unter Chefinnen ist die Teilzeitquote den Berechnungen der WZB-Forscher zufolge wesentlich höher als unter Chefs: Hierzulande beträgt sie 14,6 Prozent bei den Frauen, aber nur 1,2 Prozent bei den Männern. Sie steigt mit der Anzahl der Kinder und mit dem Alter. Besonders selten kommt Teilzeitarbeit auf den Führungsebenen großer Unternehmen und bei Selbstständigen vor. Auch die branchenspezifischen Unterschiede seien beachtlich, schreiben die Forscher: Teilzeitmanager seien in Deutschland mit 9,3 Prozent am häufigsten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und öffentliche Verwaltung vertreten, im Verarbeitenden Gewerbe mit 1,2 Prozent dagegen die absolute Ausnahme.
Dass Teilzeitarbeit unter Managern wenig verbreitet ist, hängt nach Ansicht der Wissenschaftler vor allem mit informellen Erwartungshaltungen und kulturellen Gepflogenheiten zusammen. „Unsere Analysen zeigen, dass Managerinnen und Manager eher in den Ländern ihre Arbeitszeit reduzieren, in denen Teilzeiterwerbstätigkeit von Beschäftigten ohnehin weitverbreitet ist“, erklären Hipp und Stuth. In Ländern mit traditionellen Geschlechternormen wie Litauen oder Griechenland reduzierten Führungskräfte ihre Arbeitszeiten seltener als in Staaten wie Belgien, in denen die Erwerbstätigkeit von Müttern und die Haus- und Familienarbeit von Vätern stärker akzeptiert seien. Auch dort, wo Führungskräfte generell lange Wochenarbeitszeiten in Kauf nehmen müssten, gebe es kaum Teilzeitmanager. Der Rechtsanspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz spielt der Analyse zufolge keine signifikante Rolle. Rechtliche Regelungen seien oft von der Praxis des Arbeitsalltags entkoppelt, so die Wissenschaftler. Ansprüche würden also nicht genutzt oder eingeklagt.
Um mehr Teilzeit in den Führungsetagen zu ermöglichen, empfehlen die Autoren, die Attraktivität von Teilzeit generell zu erhöhen. „Der in Deutschland derzeit diskutierte Rechtsanspruch auf die Rückkehr zu einem Vollzeitarbeitsplatz könnte daher ein Schritt in die richtige Richtung sein“, schreiben sie. Zudem könnten Organisationen durch mehr Dezentralisierung und klare Organisationsabläufe die permanente Anwesenheit und Erreichbarkeit von Führungskräften überflüssig machen: „Nicht die ständige Präsenz vor Ort, sondern die Qualität von Arbeitsergebnissen sollte das Kriterium für eine Beförderung sein.“
Lena Hipp, Stefan Stuth: Management und Teilzeitarbeit – Wunsch und Wirklichkeit (pdf), WZBrief Arbeit, Mai 2013.