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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeitkonten: Weiter Lücken beim Insolvenzschutz

Ausgabe 13/2008

Langzeitkonten können Beschäftigten einen freieren Umgang mit der Arbeitszeit ermöglichen. Doch im Insolvenzfall sind die Zeitguthaben zum Teil unzureichend abgesichert.

Arbeitszeitkonten sind in der Bundesrepublik weit verbreitet. In 72 Prozent aller Betriebe mit Betriebsrat werden sie eingesetzt, um eine flexible Verteilung der Arbeitsstunden zu organisieren. Überwiegend handelt es sich dabei um Kurzzeitkonten, wie die aktuelle Betriebsrätebefragung des WSI belegt. Jeder zehnte Betrieb mit Betriebsrat hat jedoch auch Langzeitkonten, bei denen das Guthaben nicht innerhalb eines Jahres wieder ausgeglichen werden muss. Das erlaubt den Beschäftigten, Zeit anzusparen für längere Auszeiten - für ein Sabbatical, umfangreiche Weiterbildungen oder den vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben. Das Guthaben speist sich aus Mehrarbeit und Übertragungen von Kurzzeitkonten, außerdem können auch monetäre Beiträge wie Sonderzulagen oder Urlaubsgeld in Zeitguthaben umgerechnet werden. Bei 59 Prozent der Betriebe sind die Ansparmöglichkeiten der Langzeitkonten begrenzt. Es ist genau festgelegt, wie viele Stunden im Jahr maximal gutgeschrieben werden können.

Im Idealfall erhöhen die Konten die Zeitsouveränität der Beschäftigten. Hartmut Seifert, Leiter des WSI, weist jedoch auch auf Probleme hin. Das gelinge nur, wenn die Beschäftigten selbst bestimmen können, wann sie mehr arbeiten und wann sie pausieren. Und auch der Anreiz vorzuarbeiten hat eine Kehrseite: "Um Zeitguthaben bilden zu können, muss zunächst länger gearbeitet werden - was höhere Belastungen bedeutet", sagt Seifert. Werden gleichzeitig Schicht- oder Nachtarbeit geleistet, steige das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Frauen dürften angesichts der häufigen Doppelbelastung durch Beruf und Familie von Langzeitkonten nur wenig profitieren. Ihnen fehlt in aller Regel die Zeit, um Guthaben zu bilden.

Der überwiegende Teil der Langzeitkonten ist im Insolvenzfall sicher. In einem Viertel der Betriebe müssen die Beschäftigten jedoch fürchten, dass die angesparten Guthaben verloren gehen, warnt Seifert. Dabei könne es sich um erhebliche Beträge handeln. Die Bundesregierung wolle Arbeitszeitkonten zwar besser schützen, fällt aber letztlich hinter den Status quo zurück. Ihr Plan erfasst nur langfristig angelegte Kontenmodelle und schließt alle Guthaben aus, die vorrangig schwankenden Arbeitsbedarf ausgleichen sollen, erklärt der Arbeitsmarktexperte. Dabei müssten Staat und Sozialversicherungsträger schon aus Eigeninteresse auf einer obligatorischen Insolvenzsicherung bestehen. Schließlich werden auf den Konten die Bruttoeinkommen einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen verbucht. Außerdem profitieren die öffentlichen Kassen, wenn Zeitkonten einen schwankenden Arbeitsbedarf ausgleichen und damit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit verhindern.

  • Die genaue Ausgestaltung der Ansparmechanismen variiert von Betrieb zu Betrieb. Zur Grafik
  • Guthaben auf Arbeitszeitkonten speisen sich vor allem Überstunden - aber nicht nur. Zur Grafik

Hartmut Seifert ist Arbeitsmarktexperte und leitet das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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