Quelle: HBS
Böckler ImpulsMitbestimmung: Weiter große Reichweite
Der Verbreitungsgrad betrieblicher Mitbestimmung ist stabil. Die Branchentarifbindung ist - zumindest in Westdeutschland - leicht rückläufig.
Betriebsräte vertreten knapp die Hälfte der Beschäftigten in Westdeutschland. In den neuen Ländern liegt der Wert bei rund 40 Prozent. Das geht aus der jüngsten Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Sie ist repräsentativ für Betriebe ab fünf Mitarbeitern. Der Vergleich mit den Ergebnissen früherer Jahre zeigt: Der im vergangenen Jahrzehnt zu beobachtende leichte Abwärtstrend in den alten Ländern ist gestoppt, im Osten ist die Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung weiterhin stabil.
Jeder zehnte Betrieb hat einen Betriebsrat. Das gilt für Ost- und Westdeutschland. Damit wird "das Niveau des Vorjahres erreicht und das langjährige Niveau bestätigt", schreiben die IAB-Forscher. Die Betriebsräte verteilen sich keineswegs gleichmäßig auf die Wirtschaft: Während neun von zehn Großbetrieben mit über 500 Mitarbeitern eine gesetzliche Arbeitnehmervertretung haben, müssen Beschäftigte in kleineren Firmen oft ohne Vertretung auskommen: Nur jeder 17. Betrieb mit unter 50 Beschäftigten hat einen Betriebsrat. Zudem existieren erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen. So haben deutlich mehr als zwei Drittel der Betriebe in Bergbau, Energiewirtschaft, Industrie und Banken Betriebsräte, während die Vertretungsdichte in Handel und Baugewerbe eher gering ist.
Andere Vertretungsformen wie Runde Tische gibt es zwar relativ häufig, sie vertreten aber bei Weitem nicht die Interessen von so vielen Beschäftigten wie die Betriebsräte. Im Westen erreichen alternative Mitarbeitervertretungen 11 Prozent der Arbeitnehmer in mitbestimmungsfähigen Betrieben, im Osten 7 Prozent. Im Zeitverlauf schwankt die Zahl der Betriebe mit solchen Behelfsvertretungen stark. Die Wissenschaftler beobachteten "eine große Fluktuation unter diesen Gremien": Viele existierten nur für kurze Zeit.
Überbetriebliche Tarifverträge galten 2007 für gut die Hälfte der westdeutschen und mehr als ein Drittel der ostdeutschen Beschäftigten. Entgelte und Arbeitsbedingungen von weiteren 7 Prozent der westdeutschen Arbeitnehmer regelten Firmentarifverträge. In den neuen Ländern war dies bei 13 Prozent der Beschäftigten der Fall. Damit arbeitete im Westen gut ein Drittel und im Osten knapp die Hälfte der Arbeitnehmer ohne Tarif. Dies heißt jedoch nicht, dass Tarifabschlüsse für diese Beschäftigten bedeutungslos wären. Denn jeder zweite von ihnen ist in einem Betrieb angestellt, der sich bei der Bezahlung an den Tarifen seiner Branche orientiert.
Seit 1996 ging die Flächentarifbindung im Westen um 13, in Ostdeutschland um 15 Prozentpunkte zurück. Betrachtet man nur die letzten Jahre, zeigt sich: In Ostdeutschland stabilisiert sich die Tarifbindung auf niedrigem Niveau, im Westen ist jedoch "noch ein leichter Rückgang zu verzeichnen".
Weiße Flecken auf der Landkarte der Interessenvertretung. Die Überblendung der Ergebnisse zur Mitbestimmung und Tarifbindung lässt zwei Pole erkennen: einerseits Beschäftigte, denen sowohl Betriebsrat als auch Tarifvertrag fehlen - "die weißen Flecken in der Tarif- und Mitbestimmungslandschaft", wie es das IAB formuliert. Das sind 31 Prozent der Arbeitnehmer im Westen und 42 Prozent im Osten. Auf der anderen Seite gibt es die "Kernzone des dualen Systems der Interessenvertretung" - Betriebsrat plus Tarifvertrag. In solchen Betrieben arbeitet ein Drittel der west- und ein Fünftel der ostdeutschen Beschäftigten.
Peter Ellguth, Susanne Kohaut: Tarifbindung und betriebliche Interessenvertretung: Aktuelle Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2007, in: WSI-Mitteilungen 9/2008