Quelle: HBS
Böckler ImpulsÖffentliche Haushalte: Wege aus dem Schuldental
Trotz hartnäckiger Versuche, die öffentlichen Haushalte wieder auf solide Beine zu stellen, reißen immer wieder neue Löcher auf. Ein Erfolg versprechender Weg aus dem Schuldental muss anders aussehen als die bisherigen Versuche.
Der jahrelange Konsolidierungskurs hat offensichtlich nicht zum Ziel geführt. Nun sollte ein anderer Weg eingeschlagen werden, empfiehlt das IMK. Grundlegend sei richtig: Der Haushalt lässt sich nur bei hohem Wirtschaftswachstum und stabiler Binnennachfrage sanieren. Geht es der Wirtschaft schlecht, sei es ratsam, ein höheres Defizit und damit auch eine steigende Schuldenstandsquote in Kauf zu nehmen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Dass dies nicht nur ein theoretischer Ansatz sei, zeigten die guten Erfahrungen der US-amerikanischen Finanzpolitik in den 90ern.
Der Staat sollte, argumentieren die Ökonomen des IMK, nur an den Stellen ansetzen, die er auch tatsächlich kontrollieren kann - also bei konjunkturunabhängigen Größen wie dem Staatskonsum und öffentlichen Investitionen. Hier gilt es, einen vorab festgelegten Ausgabenpfad zu beschreiten, der bei etwa zwei Prozent und damit leicht unterhalb des durchschnittlichen nominalen Bruttoinlandsprodukt-Wachstums liegen sollte.
Weil die Investitionen in den vergangen Jahren drastisch gekürzt worden sind, sollten sie so lange von der Ausgabenbeschränkung ausgenommen werden, bis sie wieder auf europäisches Durchschnittsniveau gestiegen sind. Um zu verhindern, dass der Konsolidierungsprozess durch Steuersenkungen erneut unterbrochen wird, heißt es, auf diese für längere Zeit zu verzichten.
Auch wenn mittelfristig eine Konsolidierung sichergestellt ist, kann es in der Anfangsphase insbesondere wegen der Erhöhung der öffentlichen Investitionen zu vorübergehenden Mehrausgaben kommen: bis 13 Milliarden Euro im ersten und 30 Milliarden Euro im dritten Jahr. Zur Finanzierung führt das IMK zwei denkbare Strategien an: Zum einen können die Mehrausgaben vorübergehend über eine höhere Verschuldung gedeckt werden. Falls dazu der politische Wille fehlt, kann die Finanzpolitik Steuern erhöhen oder Subventionen abbauen. Möglichkeiten dazu gäbe es einige, zum Beispiel eine breitere Bemessungsgrundlage bei der Einkommensteuer, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, eine effektivere Kapitaleinkommenbesteuerung oder auch eine stärkere Vermögensbesteuerung. Höhere Mehrwertsteuersätze oder eine Anhebung anderer indirekter Steuern seien jedoch der falsche Weg: Dies würde den Konsum belasten.
Das IMK betont: Die finanz- und haushaltspolitischen Fehler der jüngsten Vergangenheit müssten korrigiert werden - nicht nur um den Haushalt zu konsolidieren, sondern auch, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Der zentrale Fehler: Seit 2001 die Konjunktur einbrach, hat die Finanzpolitik immer stärker versucht, den Einnahmeausfällen hinterherzusparen: sowohl durch einzelne Steuererhöhungen als auch durch Kürzungen bei den Ausgaben. Katastrophale Folgen hatte das für die öffentlichen Investitionen. Diese sind seit 2001 regelrecht abgestürzt und liegen inzwischen auf einem extrem niedrigen Niveau, das sich mit 1,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts auch weit unter dem Euroland-Durchschnitt von 2,5 Prozent bewegt.
Dazu kommt: Die schwache Einnahmenentwicklung war nicht nur der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet. Sie war zu einem bedeutenden Teil auch bewusst steuerpolitisch herbeigeführt, insbesondere mit der Steuerreform 2000. Diese hatte weitere Einnahmeausfälle zur Folge, die den Druck auf die öffentlichen Haushalte noch zusätzlich verschärften. So hat die Fiskalpolitik nicht nur die wirtschaftliche Stagnation in Deutschland verlängert, sondern konnte auch das Haushaltsdefizit nicht abbauen.
PD Dr. Gustav Horn, Dr. Achim Truger: Strategien zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, Veröffentlichung geplant in: WSI-Mitteilungen 8/2005