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Was eine Ausbildung vor dem Studium bringt Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Was eine Ausbildung vor dem Studium bringt

Ausgabe 12/2024

Wer mit abgeschlossener Berufsausbildung studiert, hat beim Berufseinstieg leichte Vorteile gegenüber ausschließlich akademisch Qualifizierten – später aber nicht mehr.

Erst Ausbildung im Betrieb, dann in den Hörsaal: Wie sich die Kombination aus beruflichem und akademischem Abschluss auf die Arbeitsmarktchancen auswirkt, hat Gunther Dahm vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in Hannover untersucht. Laut seiner von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie schneiden Mehrfachqualifizierte bei Einkommen und Jobsicherheit ein wenig besser ab als diejenigen mit Hochschulabschluss, aber ohne Berufsausbildung. Der Effekt ist allerdings auf die frühe Phase nach dem Studium beschränkt. Langfristig ist der akademische Abschluss ausschlaggebend. 

Es sei paradox, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung: „Einerseits wird die Verbindung von beruflicher und akademischer Qualifikation, von Theorie und Praxis am Arbeitsmarkt vielfach gefordert und begrüßt, andererseits kaum honoriert. Dabei können gerade die in Theorie und Praxis zugleich Qualifizierten eine bedeutende Rolle in der sozial-ökologischen Transformation spielen. Aber wenn man sie auf dem Arbeitsmarkt will, muss man ihnen auch etwas bieten. Noch sind unsere Bewertungssysteme zu stark auf akademische Abschlüsse fixiert.“ 

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Für seine Untersuchung hat Dahm Daten der DZHW-Absolventenstudien der Jahrgänge 1997, 2001, 2005, 2009, 2013 und 2017 ausgewertet. Von den jeweils zwischen 8000 und 12 000 Befragten hatten 19 bis 39 Prozent vor dem Studium eine Ausbildung absolviert. Diese Personen unterscheiden sich als Gruppe in mehrfacher Hinsicht von den Absolventinnen und Absolventen ohne vorherige berufliche Qualifikation: Unter anderem stammen sie öfter aus nichtakademischen Familien, sind zum Zeitpunkt ihres Examens im Schnitt knapp vier Jahre älter und studieren deutlich häufiger an Fachhochschulen. Damit sie die Ergebnisse nicht verzerren, wurden diese und weitere Faktoren bei der Analyse statistisch neutralisiert.

Dahms Berechnungen zufolge, die sich ausschließlich auf abhängig Beschäftigte beziehen, ist der preisbereinigte Bruttostundenlohn ein Jahr nach dem Diplom, Magister, Staatsexamen oder Master etwa fünf Prozent höher bei denjenigen mit Berufsausbildung im Vergleich zu denen mit ausschließlich akademischer Ausbildung. „Beim Berufseinstieg zahlt sich berufliche Vorqualifikation also aus“, so der Forscher. Fünf oder zehn Jahre nach dem Abschluss seien allerdings keine signifikanten Unterschiede mehr feststellbar. In Sachen Jobsicherheit haben die ehemaligen Azubis ebenfalls die Nase leicht vorn: Nach einem Jahr haben sie zu 44 Prozent einen unbefristeten Arbeitsvertrag, die anderen Befragten zu 41 Prozent. Auf längere Sicht gleichen sich die Werte an: Nach zehn Jahren sind etwa 90 Prozent beider Gruppen unbefristet beschäftigt. Bei der Frage, ob die Arbeit der Qualifikation entspricht, schneiden die Mehrfachqualifizierten sogar geringfügig schlechter ab. Von ihnen geben ein Jahr nach dem Studium 82 Prozent an, dass für ihren Job ein akademischer Abschluss erforderlich ist, von den Befragten ohne Berufsausbildung 84 Prozent. Die Differenz bleibt im Laufe der Jahre nahezu unverändert. Auf die berufliche Zufriedenheit hat eine Ausbildung vor dem Studium keine messbare Auswirkung.

An den wesentlichen Befunden ändert sich laut Dahm auch dann nichts, wenn die Daten differenziert nach Merkmalen wie Geschlecht, sozialer Herkunft, Hochschultyp oder dem fachlichen Zusammenhang zwischen Ausbildungsberuf und Studienfach ausgewertet werden. Genauso wenig unterscheiden sich die gemessenen Effekte zwischen den Abschlussjahrgängen. Und auch wenn man die Absolventinnen und Absolventen mit Bachelor-Abschluss betrachtet, ergibt sich ein ähnliches Muster – wobei die Ergebnisse hier wegen der geringen Fallzahl weniger belastbar sind.

Insgesamt zeige die Analyse, dass „Mehrfachqualifizierte punktuell durchaus höhere Arbeitsmarkterträge erzielen können als Hochschulabsolventinnen und -absolventen ohne vorakademische Berufsausbildung“, stellt der Wissenschaftler fest. Letztlich sei für die Höhe dieser Erträge aber der tertiäre Abschluss ausschlaggebend. Immerhin sei es nicht mit Nachteilen verbunden, vor dem Studium einen Ausbildungsberuf zu erlernen. Diejenigen, die es nach der Ausbildung an die Hochschule zieht, dürften langfristig in aller Regel deutlich besser dastehen als diejenigen, die keinen akademischen Abschluss haben. Insofern sollte Azubis der Zugang zu Hochschulbildung so leicht wie möglich gemacht werden – beispielsweise durch ein „Berufsabitur“, das sich während der Ausbildung erwerben lässt.

Gunther Dahm: Arbeitsmarkterträge eines Studiums für berufliche Qualifizierte, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 325, Juni 2024

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