Quelle: HBS
Böckler ImpulsGender: Warum Frauenarbeit schlechter bezahlt ist
Wer in einem Beruf mit hohem Frauenanteil arbeitet, muss mit niedrigeren Löhnen rechnen als Beschäftigte in Männerberufen. Rein ökonomisch ist das nicht zu erklären.
Die steigende Frauenerwerbstätigkeit macht die Berufswelt weiblicher: Bei den deutschen Buchhaltern stieg der Frauenanteil zwischen 1991 und 2010 um 32 Prozentpunkte, bei den britischen Juristen waren es zwischen 1991 und 2008 16 Prozentpunkte und bei den Schweizer Statistik- und Sozialwissenschaftlern 19 Prozentpunkte zwischen 1999 und 2011, schreiben Emily Murphy und Daniel Oesch. Die Soziologen von der Universität Lausanne haben sich mit den Folgen dieser Entwicklung für das Lohngefüge beschäftigt. In ihrer vergleichenden Studie gehen sie der Frage nach, wie das Lohngefälle zwischen Männer- und Frauenberufen zustande kommt. Den Ergebnissen zufolge reichen ökonomische Argumente als Erklärung nicht aus. Diskriminierung scheint eine maßgebliche Rolle zu spielen.
Nach Ansicht der neoklassischen Volkswirtschaftslehre sollten Lohndifferenzen persönliche Produktivitätsunterschiede widerspiegeln, so Murphy und Oesch. Dass Frauen weniger verdienen als Männer, dürfte aus dieser Perspektive in erster Linie mit der üblichen Arbeitsteilung in Partnerschaften zusammenhängen: Männer machen Karriere, Frauen spezialisieren sich auf Kinder und Haushalt. Männer investieren mehr in ihre berufliche Qualifikation, Frauen achten vor allem auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und versuchen, Überstunden, Dienstreisen oder ständige Erreichbarkeit zu vermeiden. Die unterstellte Folge: Arbeitnehmerinnen sind weniger produktiv als Arbeitnehmer und erhalten daher weniger Lohn.
Aus soziologischer Sicht wären dagegen auch kulturelle Ursachen denkbar. Nach wie vor seien Denkmuster verbreitet, wonach Arbeit von Frauen grundsätzlich weniger wert sei als die von Männern, konstatieren die Forscher. Unterschiede in der Bezahlung wären demnach nicht Ausdruck ökonomischer Imperative, sondern von Diskriminierung.
Zur Überprüfung der verschiedenen Theorieansätze haben Murphy und Oesch Daten des British Household Panel Survey, des Sozio-oekonomischen Panels und des Schweizer Haushalt-Panels ausgewertet, die sich auf Beschäftigte ab 24 Jahren mit mindestens 15 Stunden Arbeit pro Woche beziehen. In die Analyse eingeflossen sind Angaben von etwa 9.500 Frauen und Männern aus Großbritannien, 16.000 aus Deutschland und von 4.800 Schweizerinnen und Schweizern.
Die Wissenschaftler haben den Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil im Beruf der Befragten und dem Bruttomonatslohn untersucht. Ihren Berechnungen zufolge geht der Wechsel von einer männlich dominierten Tätigkeit in einen Beruf mit mehr als 30 Prozent Frauenanteil sowohl bei Männern als auch bei Frauen in allen drei Ländern mit Lohneinbußen einher. Wenn man die durchschnittliche Dauer der Ausbildung, die Betriebszugehörigkeit und Weiterbildungsaktivitäten herausrechnet, wird der Effekt zwar kleiner, verschwindet allerdings nicht. Das heißt: Unterschiede in den berufsspezifischen Fähigkeiten spielen tatsächlich eine Rolle, sind aber nicht die alleinige Ursache. Auch Kinder oder eine Heirat können die Lohndifferenz nicht erklären. Dass auch kinderlose Frauen in Frauenberufen weniger verdienen, sei aus der ökonomischen Theorie nicht abzuleiten, argumentieren die Autoren. Selbst wenn zusätzlich Faktoren wie die Arbeitszeit, die Region oder die Branche statistisch berücksichtigt werden, bleibt ein Effekt nachweisbar: Briten, die in einen weiblich dominierten Beruf wechseln, büßen 12 bis 13 Prozent Gehalt ein. Bei Schweizerinnen sind es 6 Prozent, in Deutschland 1 bis 3 Prozent. Die einzige plausible Erklärung dafür sei die kulturelle Abwertung weiblicher Arbeit, urteilen Murphy und Oesch.
Dass das Minus in Großbritannien besonders stark, in Deutschland dagegen weniger ausgeprägt ist, führen die Forscher auf die nationalen Lohnfindungsprozesse zurück. Im liberalen angelsächsischen Modell hätten die Arbeitgeber mehr Spielraum für Diskriminierung als in der koordinierten deutschen Volkswirtschaft mit Branchentarifverträgen und durchsetzungsfähigen Betriebsräten. Für diese Lesart spreche auch die Tatsache, dass das Lohngefälle in allen drei Ländern in der Privatwirtschaft größer ist als im strenger regulierten öffentlichen Dienst.
Emily Murphy, Daniel Oesch: The feminization of occupations and change in wages: a panel analysis of Britain, Germany and Switzerland, SOEPpaper 731, Januar 2015