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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Warten auf die Trendwende

Ausgabe 19/2012

Der Anteil der Löhne am Einkommen der Privathaushalte ist zuletzt gestiegen. Doch die einseitige Verteilungsentwicklung in Deutschland ist nicht gestoppt.

Mehr Beschäftigte, stärkere Lohnsteigerungen und längere Arbeitszeiten – diese Faktoren haben die Arbeitnehmerentgelte 2011 relativ stark steigen lassen. In der Folge hat sich auch der Anteil der Lohneinkommen am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte wieder etwas erhöht: Die Nettolohnquote stieg geringfügig auf 44,5 Prozent. Der Wert von knapp 43 Prozent in der ersten Hälfte 2012 lasse allerdings erwarten, dass bis Jahresende kein weiterer Zuwachs eintritt, schätzt Claus Schäfer im neuen WSI-Verteilungsbericht.

Der Leiter des WSI sieht keine echte Wende im langjährigen Trend, nach dem Gewinne und andere Kapitaleinkommen gegenüber den Löhnen beständig an Boden gewinnen. Verglichen mit den 1960er- bis 1980er-Jahren, als die Netto­lohnquote über 50 Prozent lag, sei das Kaufkraftpotenzial der Arbeitseinkommen nach wie vor „auf einem historisch niedrigen Niveau“, so Schäfer. Die „jüngsten kleinen Verbesserungen, die in nächster Zeit möglicherweise schon wieder von konjunktureller Abkühlung revidiert werden“, könnten die gewachsene Ungleichheit nur marginal korrigieren.

Die private Konsumnachfrage, die der deutschen Konjunktur bislang neben dem Export einigermaßen über die Eurokrise geholfen hat, steht damit nach Schäfers Analyse auf unsicherem Fundament. Zumal verschiedene aktuelle Untersuchungen zeigten, dass die Löhne der besser Verdienenden und vor allem die Top-Einkommen deutlich stärker gestiegen sind als die der niedriger Bezahlten. So gehe die wachsende Beschäftigung in Deutschland mit „Spreizungsprozessen und Prekaritäten“ einher. Als Folge sieht Schäfer eine strukturell zu schwache Binnennachfrage. Sie trage dazu bei, dass deutsche Unternehmen trotz reichlicher Finanzmittel nicht genug im Inland investierten. Da auch der Staat zu wenig investiere, drohten Kapitalstock und Infrastruktur zu veralten.

Um der öffentlichen Hand wieder Spielräume zu eröffnen und einen nachhaltigen Wandel in der Verteilungsentwicklung zu unterstützen, hält der Forscher unter anderem Steuererhöhungen auf große Einkommen und Vermögen für sinnvoll. Bislang wirke die Steuerpolitik in die Gegenrichtung: So lagen die direkten Steuern auf Gewinn- und Vermögenseinkommen 2011 bei durchschnittlich 7,7 Prozent. Die durchschnittliche Lohnsteuerbelastung auf Arbeitseinkommen betrug hingegen 15,5 Prozent. Zudem sei es kontraproduktiv, wenn Europa gegen die Eurokrise auf rigide Sparpolitik und die Senkung von Sozialstandards setze. Nur eine auf nachhaltiges Wachstum und weniger soziale Ungleichheit ausgerichtete Politik könne die „gegenwärtige Gefahr einer selbstverstärkenden Abwärtsspirale eindämmen“.

  • Der Anteil der Löhne am Einkommen der privaten Haushalte ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. Gewinn- und Kapitaleinkommen haben hingegen zugelegt. Zur Grafik

Claus Schäfer: Wege aus der Knechtschaft der Märkte - WSI-Verteilungsbericht 2012, in: WSI-Mitteilungen 8/2012 (im Erscheinen)

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