Quelle: HBS
Böckler ImpulsBetriebliche Bündnisse: Vom Notnagel im Krisenfall zum Instrument der Personalpolitik
Rund 2,56 Milliarden Euro Rücklagen hat das deutsche Vorzeigeunternehmen Porsche auf der hohen Kante - aber für die Standortsicherung in Stuttgart-Zuffenhausen sollen die Beschäftigten deutliche Zugeständnisse machen. Porsche liegt damit im Trend. Betriebliche Bündnisse zur Beschäftigungssicherung haben ihren Ausnahmecharakter als Kriseninstrument verloren: Längst sind sie als Element personalpolitischer Strategien etabliert - nicht gegen den Flächentarifvertrag, sondern auf seiner Basis.
Als Anfang des vorigen Jahrzehnts die Tarifparteien mit der Öffnung der Flächenverträge für abweichende Abkommen auf betrieblicher Ebene begannen, zielte das auf den Notfall. Management und Betriebsräte sollten auf wirtschaftliche Schwierigkeiten ihres Unternehmens individuell reagieren können. Inzwischen hat rund jeder vierte Betrieb ein Bündnis zur Sicherung der Beschäftigung und: Darunter sind immer mehr mit guten wirtschaftlichen Kennziffern. So bestätigt es die jüngste Betriebsrätebefragung des WSI 2004/05.
Betriebe mit guter Auftragslage haben zu über 20 Prozent eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung abgeschlossen. Bei den Betrieben mit schlechter Auftragslage sind es fast 55 Prozent. Ähnlich ist es beim Umsatz: Von den Betrieben mit schlechten Zahlen haben fast zwei Drittel ein Beschäftigungsbündnis, bei guter Umsatzsituation noch jeder fünfte Betrieb. Die Entwicklung des Gewinns wirkt sich dagegen kaum darauf aus, ob die Betriebsparteien in der Beschäftigungssicherung paktieren: Bei den Betrieben mit gutem Gewinn (26,3 Prozent) und bei solchen mit schlechter Gewinnlage (31,9 Prozent) liegt die Quote der Beschäftigung sichernden Bündnisse nicht weit auseinander.
Betriebliche Bündnisse haben sich als Element personalpolitischer Strategien etabliert, konstatieren die WSI-Forscher. Erfolgreiche Unternehmen wollen auf diesem Wege die Arbeits- und Betriebsnutzungszeiten ausweiten und so die Produktivität steigern. Betriebe mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten wollen zuallererst die Kosten senken. Das kann unter Umständen auf Kosten der Produktivität gehen.
So werben die Chemie-Arbeitgeber: "Gemeinsam fördern beide Tarifvertragsparteien die unternehmensindividuelle Nutzung der 14 Flexibilisierungsinstrumente bei objektivierbarem Bedarf. Im Interesse einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit der Chemie-Arbeitsplätze in Deutschland ist die Nutzung nicht auf wirtschaftliche Notlagen der Unternehmen beschränkt, sondern erlaubt bewusst auch eine vorausschauende und angesichts der Differenzierungsmöglichkeiten nach den konkreten betrieblichen Erfordernissen verantwortbare Anwendung."
Schon die vorige Betriebsrätebefragung 2003 hatte einen besonders auffälligen Unterschied bei den Beschäftigungsbündnissen je nach ökonomischem Erfolg der Betriebe ergeben: Florierende Unternehmen legen sich sehr viel länger fest als Problembetriebe. Die durchschnittliche Laufzeit betrug bei den Betrieben mit guten Zahlen im Durchschnitt 3 Jahre, bei den angeschlagenen Firmen dagegen nur 19 Monate.
Reinhard Bispinck und WSI-Tarifarchiv: Immer flexibler - und immer länger ?
Tarifliche Regelungen zur Arbeitszeit und ihrer Gestaltung. Eine Analyse von 24 Tarifbereichen, April 2005
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WSI-Mitteilungen 6/2005, Schwerpunktheft "Zur Lage der Interessenvertretung: Die aktuelle WSI-Befragung von Betriebs- und Personalräten"
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Frank Bauer, Eva Munz: Arbeitszeiten in Deutschland: 40plus und hochflexibel;
in: WSI-Mitteilungen 01/2005
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