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Vier Tage sind vielen genug Böckler Impuls

Arbeitszeit: Vier Tage sind vielen genug

Ausgabe 09/2023

Vier von fünf Vollzeitbeschäftigten würden ihre Arbeitszeit gern auf vier Tage pro Woche reduzieren. Lohneinbußen würden dafür aber nur Wenige hinnehmen.

Beschäftigte mit kürzerer Arbeitszeit schaffen mehr pro Stunde, sind weniger gestresst und seltener krank. Das hat sich zuletzt in einem Großversuch von über 60 britischen Firmen bestätigt. Auch in Deutschland halten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Verkürzung ihrer Arbeitswoche für sinnvoll, wie eine aktuelle WSI-Studie zeigt. Die Analyse von Yvonne Lott und Eike Windscheid beruht auf einer Befragung von knapp 2600 Vollzeitbeschäftigten. Ergebnis: 81 Prozent wünschen sich eine Vier-Tage-Woche. 

Der größte Teil, 73 Prozent aller Befragten, würde dafür keine Abstriche bei der Vergütung in Kauf nehmen. Ein voller Lohnausgleich – weniger Arbeitszeit bei gleichem Lohn – wäre nach Einschätzung der Forschenden durchaus keine unrealistische Option. Die bisherige Forschung zeige nämlich, dass sich dieses Modell auch betriebswirtschaftlich lohnen kann: Bei einer Vier-Tage-Woche sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen produktiver, wodurch „ein Lohnausgleich kompensiert werden“ könne, betonen Lott und Windscheid. Nicht zuletzt profitieren Unternehmen, die attraktive Arbeitszeitmodelle anbieten, weil es ihnen leichter fallen dürfte, Fachkräfte zu gewinnen. Vorteile für die Gesellschaft insgesamt sehen Lott und Windscheid darin, dass sich Beschäftigte besser regenerieren sowie Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren können und eher gesund bleiben. 

Acht Prozent der Befragten würden ihre Arbeitszeit selbst dann reduzieren, wenn sie dafür weniger Geld bekämen. Zwei Prozent arbeiten bereits mit einer Vier-Tage-Woche. 17 Prozent lehnen eine Vier-Tage-Woche aus verschiedenen Gründen ab. Viele von ihnen fürchten, dass sich an den Abläufen nichts ändern würde und sie ihre Arbeit in kürzerer Zeit nicht schaffen könnten. Häufig genannt wurden außerdem die Einschätzungen, dass die Arbeit nicht einfach einen Tag ruhen könne, man bei einer Vier-Tage-Woche häufiger für Kolleginnen und Kollegen einspringen müsste oder dass eine Arbeitszeitverkürzung der Karriere schade. Das am häufigsten erwähnte Gegenargument ist jedoch: Spaß an der Arbeit. 

Die große Mehrheit, die sich eine Vier-Tage-Woche wünscht, möchte mehr Zeit für sich selbst und die Familie haben. Auch Hobbys, Sport und Ehrenamt spielen eine große Rolle. Eine Vier-Tage-Woche könnte dabei helfen, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken, so die Forschenden. „Zeit für Muße hat damit einen besonderen Stellenwert für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stabilität von Demokratie.“ Politik, Sozialpartner und Betriebe sollten das Vier-Tage-Modell in Erwägung ziehen „als Instrument zur Behebung des Fachkräftemangels, zur Stabilisierung von Sozialkassen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesunderhaltung von Beschäftigten“, resümieren Lott und Windscheid. 

Jedoch müssen auch die Arbeitsmenge und die Arbeitsabläufe angepasst werden. Ansonsten könne sich eine Arbeitszeitverkürzung negativ auf die Motivation und das Wohlergehen der Beschäftigten auswirken. Für eine wirkungsvolle Umsetzung brauche es „verbindliche Vertretungsregelungen, mehr Personal sowie eine angepasste Arbeitsorganisation“. Ein weiterer wichtiger Punkt: Mehr und verlässliche öffentliche Kinderbetreuung ist den Forschenden zufolge auch dann nötig, wenn künftig deutlich mehr Beschäftigte vier Tage die Woche arbeiten.

Yvonne Lott, Eike Windscheid: 4-Tage-Woche: Vorteile für Beschäftigte und betriebliche Voraussetzungen, WSI Policy Brief Nr. 79, Mai 2023

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