Tarifpolitik: Vernachlässigtes Instrument

Ausgabe 02/2007

Schon jetzt sind nur wenige Tarifverträge für alle Betriebe und Beschäftigten einer Branche Pflicht. Und die Zahl der Allgemeinverbindlicherklärungen geht weiter zurück, so der neue WSI-Tarifbericht.

Jahr für Jahr erklären die Arbeitsminister in Deutschland weniger Tarifverträge für allgemeinverbindlich. 2006 gab es nur 16 neue Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE). Dem stehen 54 allgemeinverbindliche Verträge gegenüber, die im vergangenen Jahr ausliefen, wie der tarifpolitische Jahresbericht 2006 des WSI-Tarifarchivs zeigt. Insgesamt banden Anfang 2006 noch 446 Tarifverträge aufgrund einer AVE alle Betriebe der Branche, darunter 232 Ursprungs- und 216 Änderungs- und Ergänzungsverträge. Von allen derzeit gültigen Ursprungstarifverträgen haben die Arbeitsminister des Bundes und der Länder nur 1,5 Prozent auf die ganze Branche ausgeweitet. Im Vergleich zu den 90er-Jahren ist das ein Rückgang um gut 30 Prozent.

Die allgemeinverbindlichen Tarifverträge regeln Themen wie Altersteilzeit, Qualifizierung, Urlaubsansprüche und Zusatzversorgung. Nur wenige beziehen sich auf Gehälter und Löhne. Tarifliche Mindestlöhne gelten für das Friseurgewerbe in wenigen Ländern wie Bayern und Bremen. Für das Wach- und Sicherheitsgewerbe sind sie in mehreren Bundesländern gültig, für das Gebäudereinigerhandwerk bundesweit. Hinzu kommen die AVEs, die auf Basis des Entsendegesetzes entstanden sind. Hier ist die Erklärung leichter möglich, weil das Plazet des Arbeitgeberverbandes nicht nötig ist. Solche AVEs gibt es im Bauhauptgewerbe, im Abbruchgewerbe, im Maler- und Lackiererhandwerk und im Dachdeckerhandwerk. Ein ungelernter Bauarbeiter darf im Westen nicht weniger als 10,30 Euro je Stunde verdienen, ein Dachdecker-Helfer nicht unter 10 Euro. Ungelernte Maler und Lackierer müssen in Westdeutschland mindestens 7,85 Euro bekommen, im Osten 7,15 Euro.