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HBS Böckler Impuls

Hartz-IV-Berechnung: Unsystematischer Methoden-Mix

Ausgabe 20/2010

Bei der Festlegung der Hartz-IV-Regelsätze vermischt die Bundesregierung in problematischer Weise zwei mögliche Berechnungsmethoden.

Der Verteilungsforscherin Irene Becker zufolge lässt das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber die Wahl: Das sozialrechtliche Existenzminimum könnte durch die Zusammenstellung eines Warenkorbes erfolgen, wie es bis Anfang der 90er-Jahre geschah. Der Korb müsste alles enthalten, was zum Leben und zu einem Minimum an sozialer Teilhabe nötig ist. An diesem Warenkorb wäre detailliert abzulesen, wie sich der Gesetzgeber das

Dasein auf dem niedrigsten materiellen Niveau vorstellt. Allerdings fehlt es an objektiven Maßstäben für die Zusammenstellung, weshalb das Ergebnis stark von Werturteilen abhängt. Die andere, heute praktizierte, Möglichkeit ist das im Grundsatz von subjektiven Einschätzungen unabhängige Statistik-Verfahren. Dabei wird der Hartz-IV-Satz anhand der Ausgaben von Geringverdienerhaushalten ermittelt.

Problematisch ist es laut Becker jedoch, die beiden Verfahren zu vermischen, wie es der Gesetzentwurf der Bundesregierung tut - indem einige der statistisch ermittelten Ausgaben, etwa für Tabakwaren und Mobilfunk, beim Regelsatz unberücksichtigt bleiben. Der Methoden-Mix "stört die Funktionsweise" des empirisch-statistischen Verfahrens, schreibt die Wissenschaftlerin. Es sei nicht zulässig, zwar grundsätzlich vom Statistik-Verfahren auszugehen, aber gleichzeitig sehr viele der vom Statistischen Bundesamt ­ermittelten Ausgaben der Bezugsgruppe für "nicht regelsatzrelevant" zu erklären. Dieses Vorgehen widerspreche der Philosophie des Statistikmodells: Anders als beim Warenkorb-Ansatz steht hinter dem Statistik-Verfahren nicht die Vorstellung, Haushalte in der Grundsicherung sollten ihr Geld genau so ausgeben, wie es den ermittelten Einzelpositionen für Ernährung, Kultur, Verkehr etc. entspricht. Was hierbei zählt, ist die bedarfsdeckende Gesamtsumme. Daher dürfe der Regelsatz nicht einfach um die Durchschnittsausgaben für eine als schädlich oder unwichtig erachtete Gütergruppe gekürzt werden, so Becker.

Anhand eines Beispiels erläutert die Wissenschaftlerin das Problem: Angenommen die Bezugsgruppe besteht aus zwei Haushalten mit jeweils einem Kind. Das eine Kind geht für zehn Euro zum Fußball, das andere für zehn Euro in die Musikschule. Die Durchschnittsausgaben für Freizeitaktivitäten betragen nun ebenfalls zehn Euro. Wird eine von beiden Aktivitäten als nicht regelsatzrelevant eingestuft, fällt der Durchschnittswert auf fünf Euro - was auch für die weiterhin akzeptierte Freizeitbeschäftigung nicht ausreicht. Nach dem gleichen Muster führt jede Kürzung dazu, dass auch Haushalte, die die fraglichen Güter gar nicht konsumieren, Schwierigkeiten bekommen können, ihren Bedarf zu decken. 

  • Beim neuen Hartz-IV-Satz fällt vieles unter den Tisch. Zur Grafik

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