Quelle: HBS
Böckler ImpulsEinkommen: Ungleichheit geht kaum zurück
Die Einkommensungleichheit in der Bundesrepublik verharrt auf hohem Niveau – trotz der guten Konjunktur.
Deutschland bleibt ein ungleiches Land. Das lässt sich am Gini-Koeffizienten ablesen, einem statistischen Maß für Ungleichheit. Je höher dieser Wert, desto ungleicher eine Gesellschaft. Im Jahr 2017, so die jüngst von Eurostat veröffentlichte Zahl, lag der Gini bei 0,29 – kaum niedriger als ein Jahr zuvor mit 0,295. Angesichts der guten konjunkturellen Lage hätte man erwarten können, dass die Ungleichheit stärker abnimmt.
Ende der 1990er-Jahre waren die die Einkommen in Deutschland weniger konzentiert als heute. Der Gini-Koeffizient lag bei 0,25. Vor allem Anfang der 2000er drifteten die Einkommen dann auseinander. Das hing mit der Zunahme von atypischer Beschäftigung – Teilzeit, befristeter Arbeit oder Minijobs – in dieser Zeit zusammen. Zugleich fielen die Zuwächse der oberen zehn Prozent aufgrund steigender Kapitaleinkommen weit überdurchschnittlich aus. Seitdem hat sich die Ungleichheit nicht nennenswert verringert.
Aktuell lassen sich zwei gegenläufige Entwicklungen beobachten: Zum einen sind in den vergangenen Jahren viele Zuwanderer neu ins Land gekommen, die zunächst keinen oder nur einen gering bezahlten Job hatten. Das führt zu einem kurzfristigen Anstieg der Einkommensungleichheit. Wenn es gelingt, die Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, kann sich dieser Effekt wieder umkehren. Zum anderen spielt der Mindestlohn eine entscheidende Rolle. Erste Studien zeigen, dass es seit seiner Einführung gerade in Niedriglohnbranchen zu überdurchschnittlichen Lohnsteigerungen gekommen ist. Je nachdem wie stark der Mindestlohn in Zukunft angehoben wird, könnte dies der steigenden Einkommensungleichheit entgegenwirken.
Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der Einkommensungleichheit knapp unter dem EU-Durchschnitt. Größer ist die Ungleichheit der verfügbaren Haushaltseinkommen in Süd- und Osteuropa, geringer in den meisten nordeuropäischen Ländern.
Noch stärker ausgeprägt ist die Ungleichheit der Vermögen in Deutschland: In fast keinem anderen Land der Eurozone sind Vermögen so stark konzentriert wie hierzulande. Die Bundesrepublik kommt hier auf einen Gini-Koeffizienten von 0,76. Nur Litauen steht mit 0,79 noch schlechter da. Insgesamt besitzen die wohlhabendsten zehn Prozent der Haushalte in Deutschland zusammen etwa 60 Prozent des Netto-Gesamtvermögens, also abzüglich Schulden. Die unteren 20 Prozent besitzen gar kein Vermögen. Etwa neun Prozent aller Haushalte haben „negative Vermögen“, sie sind verschuldet.
WSI-Verteilungsmonitor, Januar 2019