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Ungesunde Arbeitsbedingungen Böckler Impuls

Krankenstand: Ungesunde Arbeitsbedingungen

Ausgabe 16/2024

Dass die Fehlzeiten zunehmen, hängt auch mit betrieblichen Missständen und der demografischen Entwicklung zusammen.

Der nächste deutliche Anstieg der Covid-Infektionszahlen ist schon in Sicht – und das in einer Situation, in der Fehlzeiten unter Beschäftigten ohnehin ungewöhnlich hoch sind, wie etliche Krankenkassen vermelden. Laut einer Analyse der WSI-Forscherin Elke Ahlers sind dafür unter anderem belastende Arbeitsbedingungen, Personalmangel, zu wenig betriebliche Prävention, eine höhere Erwerbsquote älterer Beschäftigter und Veränderungen an der Statistik verantwortlich.

„In manchen Medien wird angesichts höherer Fehlzeiten suggeriert, dass Beschäftigte bei Erkrankungen schneller zu Hause bleiben oder gar krankfeiern. Dahinter, so der Verdacht, stehe geringere Leistungsbereitschaft“, sagt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. „Es mag Einzelfälle geben, aber als grundsätzliche Erklärungsansätze sind solche Verkürzungen gefährlich, weil sie den Blick auf die wirklich relevanten Ursachen verstellen.“

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Seit den Corona-Jahren befinden sich die Krankenstände in Deutschland im Aufwärtstrend und liegen nun auf einem im historischen Vergleich hohen Niveau. Als Erklärung verweist Ahlers auf Fachkräfteengpässe, die auf zwei Ebenen eine Rolle spielen: Die Angst, den Job zu verlieren, und damit der Druck, krank zur Arbeit zu gehen, sei weniger ausgeprägt. Stärker dürfte sich aber auswirken, dass sich wegen des fehlenden Personals hektische und erschöpfende Arbeitsbedingungen ausbreiten. In vielen Betrieben komme es zu Arbeitsverdichtung, Multitasking und Mehrarbeit. Pausen würden eingeschränkt und der Feierabend sei nicht mehr sicher. Viele Beschäftigte könnten abends schlechter von der Arbeit abschalten. „Das alles wirkt sich auf die Arbeitszufriedenheit, auf das Betriebsklima und letztendlich auf die Gesundheit aus.“

Für Eltern kleinerer Kinder würden solche Belastungen noch durch den Mangel an Kita-Plätzen sowie Verkürzungen oder Ausfälle der Betreuung verschärft, heißt es in der Analyse. Ahlers weist zudem darauf hin, dass die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen erheblich gestiegen ist. Das sei zwar in vielerlei Hinsicht zu begrüßen, wirke sich aber auch auf den Krankenstand aus, weil krankheitsbedingte Fehlzeiten mit steigendem Alter zunehmen. Als weiteren, oft übersehenen Faktor nennt die WSI-Expertin das geänderte digitalisierte Verfahren bei der Erfassung und Weiterleitung von Krankmeldungen. Weil die Krankenkassen alle Krankmeldungen automatisiert erhalten, wird eine jahrelange Untererfassung korrigiert.

Statt sich über eine vermeintlich weniger leistungsbereite arbeitende Bevölkerung zu beklagen, müsse an den relevanten Ursachen der hohen Fehlzeiten angesetzt werden, sagt die WSI-Gesundheitsexpertin. In eigenen Studien hat sie herausgearbeitet, dass vor allem ein wirkungsvoller Schutz vor Überlastung vielfach noch zu kurz kommt. Personalverantwortliche seien dringend gefordert, den Beschäftigten gute und faire Arbeitsbedingungen zu bieten, um den hohen Fehlzeiten entgegenzuwirken. Einseitige Schuldzuweisungen brächten hingegen nur eines: noch mehr Druck und Stress.

Elke Ahlers: Was erklärt den hohen Krankenstand in den Betrieben? WSI Kommentar Nr. 3, September 2024

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